Ode ans Dekor
Casa 087 in Lissabon von Fala Atelier
Schluss mit Langeweile macht die „Casa 087“ in Lissabon – entworfen von Fala Atelier aus Porto. Der Strenge der rechtwinkligen Grundrisse treten gekrümmte und gestaffelte Einbaumöbel entgegen, die mit großformatigen Streifenmustern aufwarten. Sie wecken Assoziationen an die Wiener Werkstätte und geben dem Interieur eine spielerische Facette.
„Ein kleines Haus weigert sich, banal zu sein“: Mit diesem Vorsatz ging Fala Atelier beim Bau eines neuen Zuhauses für eine Mutter und ihre Tochter in Lissabon ans Werk. Im Mittelpunkt des Projekts stehen Dinge, die sonst eher übersehen werden. Wände, Einbauschränke und Böden bilden in der Casa 087 keine unscheinbaren Hintergründe mehr. Sie werden als Protagonisten verstanden, die eine stilbildende Rolle in der räumlichen Inszenierung übernehmen. Fala Atelier ist dabei ganz in seinem Element: Schließlich hat sich das Büro durch den Einsatz von Farbe einen Namen gemacht. Und es scheut auch nicht den Umgang mit einem Terminus, der älteren Architekt*innen-Generationen einen Schauer über den Rücken laufen ließe: dem Dekor.
Lokaler Bezug
„Fala“ steht im Portugiesischen für das Sprechen. Und genau das tun die drei Büropartner*innen Ana Luisa Soares, Filipe Magalhães und Ahmed Belkhodja, um die richtige Richtung für jedes Projekt zu bestimmen. Kennengelernt hat sich das Trio im Büro des Basler Architekten Harry Gugger. Doch auch Stationen bei SANAA, Toyo Ito und Atelier Bow-Wow stehen auf den Lebensläufen der Architekt*innen, die 2013 ihr eigenes Büro in Porto gegründet haben. Farbe und Dekor gehören dort zum Stadtbild, vor allem in Form glasierter Tonziegel. Das Team von Fala Atelier lässt sich darauf nicht festlegen, sondern nutzt ebenso Natursteine und farbigen Putz, um seinen Bauten einen individuellen Charakter zu verleihen.
Duale Perspektive
„Die beiden Fassaden stehen im Widerspruch zueinander: Die eine ist geordnet, schwer und charmant, die andere schwelgt in Absurdität, Leichtigkeit und spielerischer Verrücktheit“, bringt Ana Luisa Soares die unterschiedlichen Wesenszüge der Casa 087 auf den Punkt. An der Straßenseite ziehen rautenförmige und dreieckige Marmorplatten die Blicke auf sich: am Dachsims sowie an den Zwischenräumen der Fenster im Erdgeschoss und Obergeschoss. Das alternierende Schwarzweißmuster erinnert an die Fußböden alter Brasserien oder an die Kostüme von Harlekinen. Grandezza und Humor gehen somit Hand in Hand.
Rauchende Ringelpullis
Ganz anders die Rückseite des Hauses: Den bodentiefen Glasfronten ist ein grünblauer Metallpfeiler vorgelagert, der auf Höhe des Obergeschosses zwei Platten aus rosafarbenem Marmor hält. Diese dienen als dekoratives Element für draußen und als Sonnenschutz für drinnen. Oberhalb des Dachs ziehen die Schornsteine die Blicke auf sich. Sie sind mit einem schwarzweißen Streifenmuster überzogen, als würden sie Ringelpullis tragen. Ein spannendes Detail haben die Architekt*innen im wild anmutenden Garten realisiert: Mehrere Spiegel reflektieren Fragmente der Rückseite des Hauses, das so für die Bewohner*innen in überraschenden Perspektiven wahrgenommen wird.
Gemustertes Holz
Im Erdgeschoss sind Küche und Wohnbereich zu einem Open Space verbunden. Dieser öffnet sich zum rückseitigen Garten mit einem Panoramafenster, das sich über die gesamte Breite des Hauses spannt. Der Fußboden ist mit Kiefernholzdielen ausgelegt, die durch Einlegearbeiten aus dunklerem Walnussholz unterbrochen werden. Als Ruhepol dienen mehrere Exemplare des Togo-Sofas, das Michel Ducaroy 1973 für Ligne Roset entworfen hat. Mit ihren karamellfarbenen Bezügen geben sie dem Interieur Wärme. Die Ausrichtung der Polstermöbel erfolgt zu einem kleinen Ofen, der mit schlanken Metallfüßen über das geometrische Dekor des Holzbodens angehoben wird.
Dekorative Ordnung
Die Küchenzeile ist der großen Fensterfront vorgelagert. Als Arbeitsfläche und Ablage dient weißer Marmor. Sämtliche Fronten sind wie die Türen der seitlich platzierten Schränke mit weißen und dunkelblauen Streifen überzogen. Anders als bei den Schornsteinen sind die Streifen nicht in horizontaler, sondern in vertikaler Richtung ausgeführt. Jede Tür verfügt über ein oder zwei Holzgriffe in stark vergrößerter Kreisform, die das Funktionale ins Dekorative verschieben. Josef Hoffmann, Koloman Moser und ihre Mitstreiter*innen an der Wiener Werkstätte hätten ihre wahre Freude daran gehabt.
Verführerische Türen
Eine Treppe mit marmornen Stufen führt hinauf ins Obergeschoss, das um einen zentralen Flur herum organisiert ist. Die Fronten der raumhohen Wandschränke greifen die Streifen der Küchenschränke auf. Auch die fast schon comicartig vergrößerten Griffe dürfen nicht fehlen. Die Türen zum Schlafzimmer und Bad variieren das Motiv zweier Farbfelder. Statt zweier vertikaler Balken kommt ein stark vergrößertes, dunkelgrünes Kreissegment zum Einsatz, das sich vom weißen Untergrund abhebt. Auch dieses wird durch einen runden, hölzernen Griff akzentuiert.
Eine Wendeltreppe mit weißen Marmorstufen führt hinauf ins Dachgeschoss, das ein zweites Schlafzimmer beherbergt. Das grafische Dekor des Holzbodens, bei dem dunkle, rechteckige Flächen aus dem hellen Grund hervortreten, wiederholt sich auf jeder Etage. Die Gründer*innen von Fala Atelier schaffen so ein weiteres Element, das sich durch die Gestaltung zieht und dem Dekorativen eine formelle Struktur und Ordnung gibt. Banalität ist in diesem Haus ganz gewiss nicht zu befürchten.
FOTOGRAFIE Francisco Ascensao
Francisco Ascensao
Projektname | 087 Lisbon Residence |
Entwurf | Fala Atelier |
Typologie | Wohnhaus |
Ort | Lissabon, Portugal |
Fläche | 200 Quadratmeter |
Bauzeit | 2018-2022 |