Schwarz-Weiß Dialog
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Das Versteckspiel hat ein Ende: Das Schwule Museum machte einen riesigen Schritt und zog raus aus dem Hinterhof ran an die Front. Neu ist nicht nur der Standort, sondern auch sein Image. Kontrastreich, modern und professionell gestaltete das Büro Wiewiorra Hopp Schwark Architekten die neuen Räume.
Das Schwule Museum in Berlin wurde 1985 aus der homosexuellen Subkultur heraus gegründet und entwickelte sich schnell zu einer zunehmend gefragten Institution. Pornos, Zeitschriften und persönliche Sammlungen aus Nachlässen und Schenkungen lassen das Archiv kontinuierlich wachsen. Mit der größten und selektierten Sammlung arbeiten heute internationale Wissenschaftler und Museen. Durch die Expansion des Archivs drohte der sanierungsbedürftige Berliner Altbau im Kreuzberger Hinterhof aus allen Nähten zu platzen. Ein neuer Standort musste her. Als neue Unterkunft entschied man sich für die leerstehenden Räume einer ehemaligen Druckerei in der Lützowstraße in Tiergarten-Mitte.
Professionell statt provisorisch
Auf den drei Etagen verteilt finden vier Ausstellungsräume, das Archiv, eine Werkstatt und ein Büro Platz. Neu ist das hauseigene Café, in dem auch Veranstaltungen stattfinden können. Trotz des kleinen Budgets wurde die heruntergekommene Industriefläche nicht provisorisch renoviert sondern professionell saniert. Für das Archiv im Keller wurde sogar eigens eine Klimatisierung installiert. Mit der Planung des Ausbaus der Räume wurde das Architekturbüro Wiewiorra Hopp Schwark Architekten beauftragt. Hierbei schlüpfte Carsten Wiewiorra, in eine Doppelrolle als Architekt und Innenarchitekt. Ehrenamtlich gestaltete er das Innenkonzept, eine Selbstverständlichkeit für das Vorstandsmitglied des Schwulen Museums, denn überzeugt sagt er, „ein konsequentes Haus braucht ein konsequentes Design.“ Mit einfachen Mitteln an das geringe Budget angepasst entwarf er ein kontrastreiches, markantes Interior, das mit dem Besucher einen Dialog eingeht und Eindruck hinterlässt. Ein Besuch ist wie ein lebhaftes Gespräch mit Höhen und Tiefen, Ruhephasen und Spannung.
Konsequente Kontraste
Schwarz-weiß ist das Farbkonzept, das sich bis ins kleinste Detail fortsetzt und von Raum zu Raum mit dem Besucher kommuniziert. Raffinierte Akzente und ein Spiel zwischen Gegensätzen erzeugen Ruhe, Spannung und Balance. Direkt im Eingangsbereich wird man mit dem harten Kontrast konfrontiert: Ein mächtiger schwarzer Tresen mit weißer Ablagefläche fällt einem direkt ins Auge. Ihn umgeben Wände, die im ausgeglichenen Verhältnis schwarz und weiß gestaltet sind. Mit ihrem Industriecharme erinnert die unverputzte Rohbaudecke nostalgisch an die Zeiten in denen die Druckmaschinen in den Räumen ratterten.
Hell, weiß und rein wirken die Ausstellungsräume. In ihnen ist das Hell-Dunkel-Spiel stark reduziert. Nur wer genau hinsieht entdeckt das Schwarz-Weiß-Konzept wieder. Flexible Wände und Vitrinen stehen auf unscheinbar, zurückversetzten, schwarzen Filzsockeln. Sie sind verstellbar und können je nach Bedarf als zusätzliche Ausstellungsfläche aufgebaut werden und den Raum in Teilbereiche trennen.
Wild ist der Kontrast im Flur, der einen aus den Gedanken reißt. Über eine unsichtbare Schwelle betritt man einen schwarzen Boden. Schräg senkt er sich von beiden Seiten zur Mitte hin. Wie aus einem Traum wachgerüttelt verschwindet die harmonische Atmosphäre schlagartig. Stattdessen schreien einem schwarz-weiße, asymmetrische Formen von der Decke und den Wänden ins Gesicht. Schräge Wände und eine abschüssige Decke verstärken die Unruhe und verlängern den Gang optisch. Das I-Tüpfelchen bilden die Treppengeländer, die im Kontrast zu den Wänden schwarz weiß im Wechsel gestrichen sind. Der zentrale Kreuzungspunkt, in den man beim Rundgang immer wieder zurückkehrt, verbindet alle Räume miteinander. Er wird zum Kunstwerk, das gleichzeitig die unterschiedlichen Ausstellungen nicht nur räumlich sondern auch thematisch und im Kopf trennt. Der rampenartige Boden verstärkt nicht nur die schräge Stimmung, sondern macht das Museum gleichzeitig behindertengerecht.
Fehler kultivieren
Schräg ist auch das Lichtkonzept. Vier diagonal gehängte Neonröhren, bilden jeweils ein Kreuz. Das aus einer Notlösung entstandene Provisorium erwies sich als optimales Konzept. „Lange Zeit war nicht ganz klar, wie die Regale der Bibliothek stehen werden“, erklärt Wiewiorra, „durch die diagonale Anbringung wird jeder Bereich ohne Lichtverlust gleichmäßig ausgeleuchtet“. Praktisch ist das ausgeklügelte System auch in den Ausstellungsräumen, die durch flexible Wände immer wieder anders unterteilt sind. Letztendlich wird die Kunst aber durch Strahler, die an rechteckigen Schienen angebracht sind, ins rechte Licht gerückt.
Schwarz weiß rosa
Die Zeiten, in denen sich Homosexuelle verstecken mussten sind heute in deutschen Großstädten passee. An drei Tagen im Jahr gehört die Straße ihnen. In Köln, Hamburg und Berlin feiern sie in Regenbogenfarben, ausgelassen und vor allem öffentlich den CSD, ein großes Fest, das viele Schaulustige anlockt. Durch die endlich wachsende Toleranz kann sich das Schwule Museum jetzt auch in der ersten Reihe präsentieren. Für die Adresse in der Lützowstraße entschied man sich nicht nur wegen der Räumlichkeiten der Druckerei. Vielmehr nutzt die wachsende, gefragte Institution die Adresse, um einen unbekannten Ort zu beleben und letztendlich Geschichte zu schreiben.
Das Schwule Museum ist ein konsequentes Haus mit einem gelungenen, konsequenten Interior. Auch das Konzept, stille Orte oder Örtchen zu beleben, führte der Architekt konsequent fort. Ein Blick in die Gender-Unisex-WCs lohnt sich. Welche Farbe wählt man da? Natürlich „rosa“, sagt Wiewiorra scherzhaft, das erfüllt Klischees und jeder ist Willkommen.
FOTOGRAFIE Tobias Wille
Tobias Wille
Links
Schwules Museum
www.schwulesmuseum.de/aktuellProjektarchitekten
www.whs-architekten.deMehr Projekte
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