Urbane Lehmhöhle
Ein Wüsten-Restaurant von Masquespacio in Valencia
Mit Masquespacio in den Nahen Osten: In Valencia hat das ortsansässige Designstudio ein Restaurant-Interior gestaltet, das alle Sinne auf Reisen gehen lässt. Mit erdigen Farben und von Lehmbauten inspirierter Architektur entsteht ein von der urbanen Realität entkoppelter Moment. Er transportiert die Gäste in nächtliche Souks und arabische Dorfgassen – ohne dass dafür auch nur ein Koffer gepackt werden müsste.
Ein gutes Restaurant ermöglicht nicht nur eine kulinarische Reise, als ganzheitliches Erlebnis adressiert es alle Sinne und nimmt Kopf und Herz mit. Mitten in Valencia befindet sich das Living Bakkali, das sich das lebendige gastronomische Erlebnis schon mit seinem Namen auf die Fahnen geschrieben hat. Architektonisch ist das Restaurant eine Ode an die arabische Welt und die Lehmarchitektur ihrer Wüsten, von den weichen Formen bis zu den warmen Farben.Eigentlich hätte man gerade bei diesen Innenarchitekt*innen mit einem provokanten Farbkonzept rechnen können, stattdessen aber hat die vielfach ausgezeichnete Kreativagentur Masquespacio im Living Bakkali für farbliche Harmonie gesorgt. Ana Milena Hernández Palacios und Christophe Penasse führen ihr Studio seit 2010 in Valencia – und ohne die beiden wäre das Gesicht der designorientierten Stadt ein anderes. An die zwei Dutzend Projekte, von der Bürolandschaft über Shop-Interiors bis zu Gastro-Konzepten, hat das Duo in seiner Heimatstadt wie bunte Farb-Ufos landen lassen.
Terrakotta und Lehm
Mut zur Farbe gehört zur DNA von Masquespacio. Aber auch die Methode, für jedes Projekt ein konsequentes Konzept zu entwickeln, das von der Visitenkarte über das Geschirr bis zur Lichtstimmung reicht. Zu den von ihnen gestalteten Welten gehören ein kiwi- und erdbeerfarbener Swimmingpool, das Restaurant Bun Burgers in Turin oder ein retrofuturistisches Raumschiff wie das Co-Working-Projekt Cabinette. Sogar wohnen kann man nach Masquespacios Color-Code in Blockfarben – in der Studentenwohnheimkette Resa. In ihrem neuesten Restaurant aber wird es erdig und fast monochrom: Das Living Bakkali bewegt sich farblich zwischen Sand und Terrakotta. Und während die Lage am Alfredo-Candel-Park sowie im Erdgeschoss eines mehrstöckigen Wohnhauses urban ist, befördert der Schritt über die Schwelle die Gäste in eine organische Höhle aus handbearbeitetem Lehm.
Zum Dinner durch den Souk
Masquespacio hat den Grundriss in Zonen angelegt, sodass das Interior beim Hindurchlaufen eine Geschichte in mehreren Kapiteln erzählt. Sie beginnt an der Bar, führt durch einen langen Flur mit Sitzabteilen zu beiden Seiten und mündet in einer offenen Lounge, die über einige Treppenstufen nach oben erreicht wird. Die Szenerie des Korridors erinnert dabei an eine kleine Gasse zwischen schlanken Häusern oder an die schmalen Wege im Souk. Die Kugelleuchten über den Eingängen der intimeren Tischabteile wirken wie kleine Laternen. „Durch die verschiedenen Bereiche soll der Gast neugierig darauf sein, was sich in den anderen Ecken des Lokals verbirgt“, erklärt das Duo von Masquespacio. Immer wieder öffnen fensterartige Durchbrüche die trennenden Wände zwischen den Abteilen. Sie schaffen zufällige Sichtbeziehungen für die Gäste oder präzise geplante Sichtachsen von der Lounge bis zur Bar.
Handgemachte Baukunst
Ein Grund für die überzeugende Erzählung des Restaurants ist auch die handwerkliche Umsetzung. Wände, Böden und Decken sind aus einem formbaren Material in Handarbeit ausgeführt und zitieren die vernakuläre Lehmarchitektur des Nahen Ostens. Weiche Rundungen bestimmen die Raumgestaltung und wirken sich aufs Licht aus, das ausschließlich verwaschene Schattenkanten erzeugt. Auch die Farben selbst bilden zusammen eine harmonische Palette, die an die Licht- und Schattenwirkung des Wüstensandes erinnert.„Es ist eine Ode an die Lehmarchitektur“, schreibt das Restaurant zusammenfassend auf seiner Webseite. „Mitten in der Wüste lässt sie mit geschwungenen Linien und Erdtönen Lebendigkeit entstehen.“ Eingetaucht in diese Welt aus Materialien,Texturen, Formen, Farben, Gerüchen und Geschmäckern ist das Souvenir für die Gäste nicht nur die kulinarische Erfahrung, sondern auch die Erinnerung an einen orientalischen Kurztrip – gerichtet an alle Sinne und ganz ohne Jetlag.
FOTOGRAFIE Sebastian Erras
Sebastian Erras