Zen auf Tschechisch
Typisch japanisch? Ein europäischer Blick auf fernöstliche Architektur.
Sie sind zwar keine Japaner, doch das Portfolio von A1 Architects aus Tschechien umfasst zahlreiche Teehäuser. Allesamt winzige Gebäude mit ungewöhnlichen Grundrissen und einfachen Konstruktionen, gebaut aus viel Holz, Bambus, Lehm oder Papier. Bei ihrem gerade realisierten Teeladen mit angeschlossenem Café in Prag haben David Maštálka und Lenka Křemenová ihre Erfahrungen mit den kleinen Refugien in der Natur auf eine trubelige Innenstadtlage übertragen und einen Rückzugsort aus natürlichen Materialien und mit schlichter Ästethik geschaffen.
Schon im 19. Jahrhundert waren europäische Künstler fasziniert von fernöstlichen Gestaltungstraditionen, als Bilder und Kunsthandwerk erstmals über den Seeweg nach Europa zu den Weltausstellungen gelangten. 2007 gingen David Maštálka und Lenka Křemenová vom Prager Studio A1 Architects den umgekehrten Weg und machten eine Rundreise durch Japan. „In dieser Zeit trafen wir den Architekten und Architekturhistoriker Terunobu Fujimori und besuchten zahlreiche Teehäuser", so Křemenová. „Diese kleinen Gebäude, die auf ein Minumum an Raum reduziert sind und dennoch so einladenend und freundlich sind: Das faszinierte uns an der japanischen Architektur."
Abwarten und Tee trinken
Einen Laden, der zum Verweilen einlädt – ähnlich eben wie ein Teehaus: Das wünschte sich auch der Betreiber von Tea Mountain in Prag. Zudem sollte das Sortiment hochwertiger Tees aus Japan, Südkorea, Indien, Taiwan und China anregend präsentiert werden. A1 Architects teilten die 55 Quadratmeter große Fläche des Ladens im Karlín-Viertel deshalb in zwei Zonen: den Verkaufsbereich mit einem Tresen aus Eschenholz und Barhockern und in ein gemütliches Café. Optisch voneinander getrennt werden beide Funktionen durch einen mit Blattgold belegtes Gewölbe aus dem 19. Jahrhundert.
Kohle und Stroh
Hell ausgeleuchtet und in erdigen Tönen gehalten, wird auf der einen Seite der Laden-Café-Kombination die Aufmerksamkeit auf das Tee-Sortiment gelenkt. Ein einfaches Regal mit geometrischen Formen als Display präsentiert die ansprechend gestalteten Teeverpackungen. Im Sitzbereich hingegen dominieren organische Formen und eine dunkle Decke, die an eine Höhle erinnert. Schwarzer Putz mit Stücken aus Kohle und Stroh verleiht diesem Teil des Raumes etwas Naturverbundenes. Vereinzelt verteilten die Architekten zudem verkohlte Holzpfeiler im Raum. In vergoldeten Ausbuchtungen versteckt sich die dezente Beleuchtung, die eine gedämpfte Atmosphäre schafft.
Kontrastreich kombiniert
Auch bei der Möblierung entschieden sich die Architekten für eine natürliche, einfache Variante. Die reduzierten Formen der Sitzmöbel, Regale und Tische weisen noch annähernd die originalen Formen des Holzes auf. Während ihre hellen Flächen kontrastreiche Akzente setzen, korrespondieren die schwarzen Beine mit dem umliegenden Interieur. Am hinteren Ende installierten die Architekten Regale, die – nur grob beschnitten –, ebenfalls an den ganzen Baumstamm erinnern. Darauf befinden sich typische Teeutensilien, grobe Gefäße und Kannen, die vor dem geschwärzten und goldfarbenen Putz besonders zur Geltung kommen.
Japonismus reloaded?
Zwar hat das Tea Mountain starke Anklänge an die japanische Architektur, doch ging es den Tschechen nicht darum, etwas typisch Japanisches zu schaffen. „Wir haben uns von Materialien und Texturen aus Japan inspirieren lassen. Auch mag das Raumgefühl wie auch einige Details im Tea Mountain fernöstlich anmuten. Aber wir würden nicht sagen, dass das Ergebnis typisch japanisch ist", so die Architekten. Vielmehr ist das Tea Mountain eine spannende Synthese aus tschechischer und japanischer Architektur, aus altem Bestand und neuem Interieur und nicht zuletzt aus klassischer Teezeremonie und zeitgenössischer Cafékultur.