Zweidimensionale Strohballen
OSB-Platten sind als Baustoff weit verbreitet. In der Regel zur Konstruktion von Dächern, Decken und Wänden eingesetzt, sind sie als funktionale und vor allem kostengünstige Grobspanplatte meist unsichtbar hinter einer makelloseren Fassade versteckt. Doch es gibt auch immer wieder Architekten, die sich speziell von der Struktur der Oberfläche inspirieren lassen. Zu ihnen gehört der Brite Carl Turner. Er entwarf die Stealth Barn, eine Scheune in East Anglia, deren Innenraum er komplett mit dem ihn an Strohballen erinnernden Werkstoff verkleidete – von den Fenstern und Schränken bis zu der Badewanne.
Die Stealth Barn sitzt inmitten großer Getreidefelder neben der Ochre Barn, einer Scheune aus dem 18. Jahrhundert, die Carl Turner zuvor in sein Wochenenddomizil konvertiert hatte. Mit dem Neubau wollte der Londoner Architekt einen separaten Raum schaffen, den er flexibel als Gästezimmer, Studio oder gar Mietwohnung nutzen kann. Als Inspirationsquelle diente ihm ein heruntergekommener Holzspeicher neben dem Hauptgebäude: Er verwendete dessen altes Fundament und setzte darauf ein schlichtes Holzhaus mit Satteldach, das er mit Holzteer schwärzte. Es steht in einem starken Kontrast zur rot verklinkerten Ochre Barn und wirkt fast wie deren Schatten, was ihr auch ihren Namen Stealth – zu Deutsch: Heimlichkeit – einbrachte.
Innenraum gleich Außenraum
Auch für den 75 Quadratmeter großen Innenraum ließ sich Carl Turner von dem ursprünglichen Gebäude inspirieren, das für die Aufbewahrung von Getreide genutzt worden war: Wände, Böden und Decke sind mit Grobspanplatten, auch OSB-Platten genannt, verkleidet und erinnern in ihrer Gesamtheit und warmen Anmutung an zweidimensionale Strohballen. Die überwiegend quadratischen Fensteröffnungen wirken dagegen wie herausgeschnitten. Sie bieten einen schönen Ausblick auf die Landschaft und lassen den Innenraum mit dem Außenraum verschmelzen.
Im Stroh baden
Betritt man das Haus durch die quadratische Glastür, findet man sich im Hauptraum wieder. Er ist bis zum Dach ausgebaut und wird durch zwei Zwischenwände in drei Bereiche unterteilt, die Carl Turner je nach Bedarf in Ess-, Wohn- und Schlafzimmer oder zu Studioräumen umwandelt. Links vom Eingang ist die kleine, komplett aus OSB gestaltete Küche untergebracht, die dank eines großen, vom Boden bis unter die Decke reichenden Fensters mit natürlichem Licht versorgt wirkt. Rechts daneben befindet sich das Badezimmer. Es ist ebenfalls komplett aus OSB gestaltet, den alleinigen Kontrast bilden hier die weißen Sanitärobjekte wie das WC, das schlichte an die Wand angebrachte Waschbecken und die mit Spanplatten ummantelte Badewanne. Auch hier gibt es eine große Fensteröffnung, die einen herrlichen Blick aus dem „Stroh“ auf die Weizenfelder der Umgebung bietet – insbesondere von der Badewanne aus.