DMY 2013: Wolken über Tempelhof
Es sah alles so vielversprechend aus. Die Nachbarn aus Polen waren eingeladen, die Musik stand bereit, die Agenda war voll. Aber dann lief es irgendwie doch nicht ganz rund. Das Berliner Designfestival DMY hat in diesem Jahr seine elfte Ausgabe gefeiert. Es war ein verflixter Jahrgang.
200 Aussteller verzeichnete das Designfestival DMY in diesem Jahr und vereinte in Gruppenausstellungen von Städten, Hochschulen und Kollektiven rund 500 Designer und Studios. Damit wurde im Vergleich zum Vorjahr eine Halle weniger bespielt. Und einer der neuen Hauptdarsteller, der von der DMY ausgerichtete Designpreis der Bundesrepublik Deutschland, musste zentraler präsentiert in die eigentliche Nachwuchs-Ausstellung einrücken. Die nominierten Objekte präsentierten sich 2013 im hinteren Teil der zweiten Halle auf weißen IB-Containern, die in ihrer industriellen Anmutung wohl als Kontrast gedacht waren, in ihrer massigen Erscheinung aber dann den Ausstellungsbereich dominierten und die Exponate überspielten.
Diplomschau
Wirklich begeistern konnte das Festival vor allem mit dem, was traditionell seit der Gründung als Designmai vor über einem Jahrzehnt seine Stärke ist – dem Nachwuchs. Überzeugende Arbeiten gab es vor allem bei den Absolventen der Designhochschulen. Robert Fehse, ehemaliger Student der UdK Berlin, stellte einen zusammenfaltbaren Stuhl vor, der im Ruhemodus noch als konventioneller Entwurf hätte durchgehen können, in seiner Klappbewegung aber durch seine clevere Lösung für Faszination sorgte. Seine ehemalige Kommilitonin Lisa Keller hingegen revolutionierte auf kleinem Raum den Abwasch. Sie befreite den Küchenblock von einer statischen Schüssel und ersetzte diese durch viele Optionen von der Seie bis zum Becken. Die werden auf die nach hinten geneigte Platte einfach abgestellt und führen das Wasser einer Rinne zu.
Einatmen, Ausatmen
Auffällig bei diesen Entwürfen und dem Gesamtkontext: Die jungen Designer trauen sich kaum noch an die lauten Experimente, sondern setzen stattdessen lieber auf die innovative Problemlösung, die sich aber nicht immer auf den ersten Blick vermittelt. Das mag an einer Krisenstimmung liegen, könnte aber der falsche Ansatz sein, um derzeit die Hersteller zu begeistern. Denn ausgefeilte Möbelkonzepte liefern auch die etablierten Büros mit den großen Namen – und wenn nicht besser, dann mit mehr Expertise. Andere flüchten gleich aus dem Design als Dienstleistung und versuchen sich an der Schnittstelle zum Künstlerischen, wie Amelie Hinrichsen, die für ihre nicht ganz leicht zugängliche Arbeit mit dem DMY-Award ausgezeichnet wurde. Sie bildet den flüchtigen Moment des Tanzes in einem Objekt ab. Der Puls eines Darstellers wird an eine Maschine übertragen. Angeschlossen ist ein großer Kokon aus dünner Folie, der sich mit Luft aufbläht und im „Ausatmen“ in sich zusammensackt. Poesie, aber keine, die sich anbiedert. Und deshalb unbedingt einer Auszeichnung würdig.
Berlins naher Osten
Eigentlich schon lange überfällig war der direkte Ausflug in das Nachbarland Polen. Die Nähe zu Osteuropa ist eine der Stärken des Standortes Berlin und eine Chance für Kooperationen der Kreativbranche. Das Internationale Design Zentrum IDZ bietet immer wieder Reisen mit einem Fokus auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit an, polnische Designer wie Oskar Zieta sind schon lange gern gesehen. Und so waren es dann auch die Gäste, die ordentlich in die Materialkiste griffen und für ein paar Aufreger sorgten. Ania Kanicka aus Lodz installierte eine zuckerwattige Flokatiwolke, die von innen mit Glühbirnen ausgestattet war und damit als Leuchte benutzt werden kann. Die Designerin selbst zieht hingegen die zweite mögliche Funktion als Kokon vor. Dazu taucht man von unten in den schwebenden Yeti ein und steht plötzlich in akustisch abgeschirmten Raum. „Don’t you feel calm now?!“, fragt sie und wir fühlen uns für diesen Moment tatsächlich ganz wohl mit der Ruhe von der Flugzeughallen-Akustik. Eine der kleinen Öffnungen zur Außenwelt gibt den Blick frei auf einen Tisch von Danuta Wlodarska. In die auf Holzfüßen aufliegende dunkle Marmorplatte hat sie Muster graviert, die sie auf georgischen Teppichen gefunden hat.
Berlin ohne Berliner
Auffällig bei dieser Festival-Ausgabe war, wie wenige Berliner Designer und Studios sich neben der von Max Borka kuratierten Refugium-Ausstellung engagierten. Natürlich: Nicht jeder ist auf dem DMY richtig aufgehoben. Doch dafür gab es auch in diesem Jahr wieder Satelliten-Programm unter der Flagge einer Design Week, wie die großartige von llotllov kuratierte Ausstellung In-House Objects oder die lange Nacht der offenen Designstudios. Die Beteiligung war jedoch mit Blick auf die Vielzahl der in Berlin arbeitenden Gestalter nur als mager einzustufen. Das kreative Berlin ist eines, das immer gerne spielt, aber offensichtlich lieber mit sich, als mit anderen. Aber: Berlin, das von der Unesco als Stadt des Designs ausgezeichnet wurde, braucht ein Designevent. Wir können nur hoffen, dass es die Krisenwolke war, die in diesem Jahr den Himmel verdunkelte und die Designer vom Ausgang abhielt. Und dass im nächsten Jahr wieder die Sonne scheint.
Pflaster für Möbel, leuchtende Ecken und jede Menge Tipps rund um das kreative Berlin: Alle Beiträge unseres Specials zum DMY 2013 lesen Sie hier.
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