Euroluce 2017: Schein und Sein
Die Leuchtenschau zeigte vor allem das Licht selbst als Gestaltungselement.

Verborgene Lichtquellen, grafische Schatten und ein Hang zur astronomischen Phänomenologie: Die Lichtausstellungen auf der und um die Euroluce, die vom 4. bis 9. April parallel zum Salone del Mobile stattfand, zeigten das Licht mitsamt seiner versteckten Qualitäten. Denn die mittlerweile nicht mehr ganz so neuen LED-Technologien sind ausgereift und lassen nicht nur der Formgebung freies Spiel.
Ein Reifen, der von einem Streifen verdeckt einen geometrischen Schatten an die Wand zeichnet, schwarze Linien, die farbige Lichtbrechungen auf die Mauer projizieren; daneben eine konkave Messingoberfläche, die sich das Phänomen der Reflektion zunutze macht sowie eine mit Stoff bespannte Scheibe, die von einem langen Stab angestrahlt diffuses Licht in den Raum wirft: Mit ihren Leuchten erforschen Andrea Trimarchi und Simone Farresin das Licht aus verschiedenen Blickwinkeln. Dabei setzen sich die Gründer des in Amsterdam ansässigen Studios Formafantasma insbesondere mit dem Zusammenwirken von Geometrie, Farbe und Schatten auseinander.
In der Ausstellung Foundation, die Anfang April im Rahmen der Euroluce im Spazio Krizia in der Mailänder Innenstadt zu sehen war, zeigten sie insgesamt 16 Arbeiten, die veranschaulichen, dass Licht mehr kann, als einen Raum zu beleuchten und gegebenenfalls eine angenehme Atmosphäre herzustellen. Sie verdeutlichen eine Tendenz, die während der diesjährigen Lichtmesse besonders ins Auge fiel: Mithilfe moderner Technologien sind nicht nur neue Leuchtenformen möglich, sondern auch das Licht selbst erhält als Gestaltungsmittel einen eigenständigen Charakter – und das oft mit überraschenden Effekten.
Eklektischer Minimalismus
Neben laufenden und abgeschlossenen Projekten stellten Trimarchi und Farresin auch die Prototypen zweier Leuchten vor, die sie in Zusammenarbeit mit Flos entwickelt haben. Bei WireRing ist ein gürtelähnliches Kabel formgebend: Als unvermeidbare Komponente einer Leuchte ist es über einen großen mit einem LED-Streifen bestückten Ring senkrecht an die Wand gespannt. Wird die Leuchte aktiviert, zeigt sich die skulpturale Gestalt des Entwurfs, die vom Schatten an der Wand vervollständigt wird. Blush Lamp hingegen nutzt einen LED-Streifen, der in einem schlanken Aluminiumkörper versteckt ist. Von Weitem mutet er wie eine lange Linie an, die durch ein merkbar versetztes Stück dichroitisches Glas zarte Farbverläufe an die Wand wirft. Der grafischen Härte des Leuchtenkörpers steht mit der aufgefächerten Farbskala eine auratische Komponente zur Seite, die der Lichttemperatur des Sommers nachempfunden wurde.
Phänomenologie
Gerade in der Zurückhaltung bei der Formgebung finden sich Gemeinsamkeiten bei einer Vielzahl der in Mailand präsentierten Leuchten, deren materieller Ästhetik auch ein gewisser Zeitgeist nachsagbar ist. Auffallend in den Entwürfen verschiedener Designer ist dabei eine Vergegenwärtigung von Naturphänomenen, wobei durch die Wirkung unterschiedlicher Lichtqualitäten auch häufig mit der Wahrnehmung gespielt wird. War es in den Vorjahren noch der Mond, wendet sich das primäre Interesse nun wieder der Sonne zu, dem unhinterfragten Mittelpunkt irdischer Auseinandersetzung mit Licht, was sich auch in der Namensgebung etlicher Leuchten wiederfindet.
Astronomie im Kleinformat
Ingo Mauerer wiederum stellte die Wandleuchte Eclipse Ellipse vor, die genauso den Schatten als Teil des Entwurfs versteht. Eine runde Scheibe aus weiß lackiertem Metall wird von einer Lichtquelle angestrahlt, die in eine vorgelagerte kleine Scheibe integriert ist. Sobald das Licht eingeschaltet wird, entstehen in einem rotierenden Schattenspiel grafische Kompositionen aus Ellipsen und Kreisen.
Ebenfalls von der astronomischen Phänomenologie inspiriert ist die Stehleuchte Heliacal, die das niederländische Studio Os Δ Oos für FontanaArte entworfen hat. Angeregt von dem Wechsel von Sonnenauf- und -untergang, lässt sich die Leuchte in der Helligkeit dem täglichen Verlauf an Lichtabstufungen regulieren: An einem schwarz beschichteten Stahlrohrgestell sind drei Streuscheiben aus Glas mit polarisierten Oberflächen übereinander gelagert, die die Lichteinstrahlung steigern oder einschränken können. Auf die heliakische Sichtbarkeit weiterer Himmelskörper Bezug nehmend, lassen sich so verschiedene optische „Morgenerst“-Effekte bis hin zur Eklipse erzielen.
Der Weg der Strahlen
Auch Ellen Bernhardt und Paola Vella des Mailänder Studios Bernhardt & Vella spielen mit Transluzenz und Rückstrahlung: Ihre Leuchtenserie Eos für Artemide besteht aus einem dünnen mit Leuchtdioden bestückten Messingstab, der einen lichtdurchlässigen Reflektor durchquert, welcher selbst zum Leuchtkörper wird. Vor eine Wand platziert, entsteht durch das Spiel zwischen dem Hintergrund und dem runden Reflektor eine indirekte Beleuchtungssituation, die sanftes Licht emittiert.
Stefan Diez wiederum hat den Zusammenhang zwischen Licht und Transparenz erforscht und zusammen mit dem spanischen Unternehmen Vibia die Leuchtenserie Guise aus Borosilikatglas entwickelt. Die Wandleuchte der Serie besteht aus einer flachen Glasscheibe, in die eine schmale Reihe Leuchtdioden eingelassen sind. Das Licht wird unsichtbar bis an die Kante des Kreises geleitet und tritt dort als helle Strahlenkontur aus, die über die Reflektion an der Wand gestreut wird und die Glasscheibe in den Hintergrund treten lässt. Die Pendel- und Bodenleuchten hingegen übertragen das Konzept auf eine Glasröhre. Auch hier bleibt die eigentliche Lichtquelle verborgen, denn auch hier versteht sich das Licht mehr als ein Teil vom Ganzen. Es wird in seiner immateriellen Beschaffenheit selbst zu einem kostbaren Gestaltungselement, das mehr als nur einen Raum beleuchtet.
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Mehr zum Salone del Mobile 2017 lesen Sie in unserem Special.
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