Projekte

Auferstanden aus Ruinen

Eine Remise in Berlin-Mitte ganz in Weiß, garniert mit Designklassikern.

von Claudia Simone Hoff, 14.11.2013

Zwei Etagen und ein gläserner Dachpavillon: Das Architekturbüro Abcarius + Burns hat in Berlin eine alte Remise in ein modernes, wohnliches Familiendomizil verwandelt. Und dabei den Flair des Vergangenen mit zeitgenössischen Einbauten, Möbelklassikern, Kunst und allerlei Sammlerstücken kombiniert.

Die Bauherren lieben es kosmopolitisch. Eva Rücker kommt aus Schweden und hat mit ihrem deutschen Ehemann Gerald zehn Jahre in London gelebt. Vor drei Jahren sind beide nach Berlin gezogen und haben nach einem Ort gesucht, der ebenso quirlig ist wie die britische Metropole. Gefunden haben sie ihren Sehnsuchtsort im Berliner Bezirk Mitte – gleich gegenüber vom Sophien-Friedhof. Braust nicht gerade ein Auto über das Kopfsteinpflaster, wähnt man sich abseits der hektischen Großstadt.

Von Null auf Hundert
Die Wohnung der vierköpfigen Familie liegt in einem stillen, weitläufigen Hinterhof mit gemeinsamer Gartennutzung. Die dreistöckige Remise mit modernem Dachaufbau wurde ursprünglich als Tischlerei genutzt und stand lange leer. Niemand wollte sie haben, in so katastrophalem Zustand war sie. Erst als die Bauarbeiten begannen und das Potenzial des Gebäudes sichtbar wurde, war die Nachfrage plötzlich groß, erzählt Gerald Rücker. Kein Stein blieb auf dem anderen, und nur die Fassade aus rotem Backstein durfte bleiben. Es erforderte eine Menge Fantasie, sich in der Ruine ein richtiges Zuhause vorzustellen. „Es war ein Sprung ins kalte Wasser“, beschreibt Eva Rücker ihr Gefühl, als die Bauarbeiten endlich begannen.

Das Paar ist mit seinen Kindern Luisa (2) und Hugo (5) ganz ohne Möbel von London nach Berlin gekommen. Lediglich drei Wochen standen zur Verfügung, um alle Entscheidungen zu treffen – einschließlich der Planung des Interiors. Deshalb holten sich Eva und Gerald Rücker das Berliner Architektur- und Designbüro Abcarius + Burns ins Boot, während Miethe & Quehl die Generalplanung übernahmen. Abcarius + Burns haben sich mit schlichten, perfekt durchdachten Interiors einen Namen gemacht. Für die Wohnung der Rückers haben sie auch sämtliche Möbeleinbauten entworfen. Die Idee: In jedem Raum gibt es maßangefertigte Schränke, um die herum zeitgenössische Möbel und Leuchten, Vintage-Klassiker, Kunstwerke und Accessoires frei positioniert werden können.

Floating Space
Dieses Prinzip sieht man am besten im Zentrum des Hauses, dem 102 Quadratmeter großen Wohnraum. Er wird unterteilt durch ein weißes Regal, das Küche und Essbereich von der Loungezone trennt. Ein komplett über die Wand verlaufendes Sideboard von Boffi wiederum schafft eine Verbindung zwischen beiden Bereichen. Ebenso wie der Dielenfußboden des dänischen Herstellers Dinesen, unter dem sich eine Fußbodenheizung versteckt. Das verwendete Douglasien-Holz ist weich und bringt einen warmen Ton in das vorwiegend weiße Interior. Ebenso wie der Tisch aus alten Berliner Holzbohlen, der von Stuhlklassikern begleitet wird. Zusammen mit den Industrieleuchten aus einer tschechischen Fabrik kontrastiert er mit den geradlinigen Küchenmöbeln: einem Küchenblock aus weißem Corian, einer sich entlang der Rückwand erstreckenden weißen Zeile mit einer Arbeitsfläche aus Edelstahl (Xila 09, Boffi) sowie einem Hochschrank aus dunkler Eiche (Duemilleotto, Boffi), hinter dem sich Elektrogeräte von Miele verbergen.

Praktisch und doch schön
Vom Wohnbereich führt eine minimalistische Treppe ins Untergeschoss, in dem sich die Schlaf-, Kinder- und Badezimmer sowie ein kleines Büro befinden. Die Kinder hätten sich schnell an die Treppe ohne Geländer gewöhnt, erzählt Eva Rücker und zerstreut alle Bedenken. Auch hier im Untergeschoss ist der Grundriss offen gestaltet, die Räume sind mit Schrankeinbauten versehen und um wenige freistehende Möbel ergänzt. Farblich geht es – wie in den Bädern mit hellen Travertin-Fliesen und weißen Sanitärobjekten von Agape – zurückhaltend zu. Abcarius + Burns haben sich für das kleine Büro etwas Besonderes ausgedacht: einen Tisch aus Holz, der bei Bedarf ausgeschwenkt und dann genau vor dem Fenster positioniert werden kann. Die Architekten sind sehr geschickt, auch im Verstecken vermeintlich unschöner Dinge, die man jedoch benötigt im Alltagsleben mit zwei kleinen Kindern. Der Hauswirtschaftsraum ist mit einem zusätzlichen Waschplatz ausgestattet und hinter der Douglasien-Wand im Elternbadezimmer verbirgt sich ein begehbarer Stauraum.           

Der Himmel über Berlin
Das Highlight des Hauses jedoch ist auf dem Dach zu finden. Ein pavillonartiger Glasaufbau mit hellem Sandstein-Fussboden zieht alle Blicke auf sich. Ebenso wie die gemütliche Kaminecke mit Vintage-Ledersesseln und farbenfrohen Teppichen, die zum Lümmeln einladen. Gleich nebenan haben sich die Rückers noch einen kleinen Luxus gegönnt und eine Sauna eingebaut. Zwar haben sie die noch nie benutzt, doch diesen Winter soll endlich Premiere sein. Denn dann ist der Bambus auf der Terrasse so hoch gewachsen, dass niemand mehr durchs Fenster schauen kann.

Ausgewählte Materialien, Designermöbel und eine Küche von Boffi – die Wohnung der Rückers ist gelungen. Der offene Grundriss im Wohngeschoss wirkt großzügig, und viel Licht fällt ins Innere. Anders sieht es im Untergeschoss mit den Privaträumen aus. Zwar gibt es für die Eltern ein En-Suite-Badezimmer und auch die Kinder haben ein eigenes Bad. Doch Hugo und Luisa teilen sich derzeit ein gemeinsames Zimmer. Werden sie älter, bleibt nur eine Lösung: Das Büro muss raus und ein Kinderzimmer rein. Doch die Bewohner sind glücklich und schmieden bereits wieder Einrichtungspläne. Für die Zukunft können sie sich ein wenig Farbe vorstellen: Grau- oder Brauntöne vielleicht.

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Links

Projektarchitekten

abcarius + burns architecture design

www.abcariusburns.de

Holzarbeiten

Dinesen

http://dinesen.com

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