Projekte

Götterdämmerung in Rom

Der junge sizilianische Architekt Antonino Cardillo beschwört mit diesem Galerieumbau Wagner und Palladio.

von Jeanette Kunsmann, 24.02.2015

Letzten Sommer trafen sich Richard Wagner und Andrea Palladio in Rom – ein grandioses Gigantentreffen und zugleich der Referenzraum dieses Galerieumbaus. Crepuscular Green hat Architekt Antonino Cardillo seinen Innenausbau einer Kunstgalerie im römischen Viertel San Lorenzo genannt: eine „Grünliche Dämmerung“, angelehnt an die vier Operndramen von Rheingold bis zur Götterdämmerung. Wie aber passt Wagners Ring des Nibelungen mit dem Werk des Renaissance-Architekten zusammen? Es ist mehr als die goldgrüne Farbe an den Wänden. Ein Drama in einem Akt (Raum) – und in der Mitte schwebt ruhig der Horizont.  

Wenn das Rheingold nach Sonnenaufgang in der Tiefe des Rheins erstrahlt, lässt es das gesamte Riff glänzen. Mit dieser Szene beginnt Richard Wagners Oper als Teil des Gesamtwerks Ring der Nibelungen. Von eben dieser Schönheit des Naturschauspiels, das die Welt in ihrer natürlichen Ordnung zeigt, ließ sich der italienische Architekt Antonino Cardillo inspirieren. Während die Rheintöchter Wellgunde, Woglinde und Floßhilde das Gold bewachen, „dass kein Falscher dem Hort es entführe“, kann nur der, der die Liebe verflucht, aus dem Gold einen Ring erschaffen, der ihm Macht über die gesamte Welt verleiht. Rheingold ist der perfekte Auftakt für ein dreitägiges Bühnendrama.

Von Bayreuth nach Rom. „Ich kenne mich nicht mit Photoshop aus“, erzählt der sizilianische Architekt Antonino Cardillo. „Ich habe Palladio, John Soane und Karl Friedrich Schinkel studiert.“ Mit Licht und Schatten inszeniert auch Cardillo seine Räume. Wie Andrea Palladio bezieht er sich auf die Antike. Und arbeitet mit einer klassischen, klaren und nachvollziehbaren Formensprache. Dem Galerieumbau vorrausgegangen ist das Projekt Seven Houses for No One (Sieben Häuser für Niemand), mit dem der damals 32-jährige die Dimensionen von Licht und Schatten nur digital untersuchen konnte. Seine Visualisierungen sahen täuschend echt aus, dafür wurde er 2013 von den Medien als Lügenbaron an den Pranger gestellt.

Mit den Hallen des Appartements House of Dust und der Galerie Crepuscular Green erkundet der italienische Architekt den archaischen Domus (Typus) der Höhle. Düster ist es, gleichzeitig strahlen die Wände. War das Haus aus Staub hauptsächlich grau-rosa-pastellig, ist die Galerie komplementär dazu Ton in Ton ganz in Grün gehalten. Als Verweis auf die „Grünliche Dämmerung“ komponiert  Cardillo so die „grünlich-höhlenartigen Vertiefungen im Rhein – Heimat der ursprünglichen Schönheit und der Ort, wo die Liebe verflucht wurde.“

Wie bei dem Haus aus Staub teilt er den Raum horizontal in zwei symmetrische Hälften: in ein Oben und Unten – dazwischen schwebt ruhig der Horizont, oder ist das der Rhein? Galerist und Auftraggeber Klaus Mondrian, in Rom kein unbeschriebenes Blatt, wird seine Fotokunst vor einer dicken Schicht grob strukturierten Putzes ausstellen, der sich wie alter Staub dort angesammelt hat. Der untere Bereich der Wände ist in einem hellen Lindgrün glatt verputzt und wird farbgleich eins mit dem Boden, während die Decke ebenso rheingoldig funkelt wie die Oberwände. Unten hell, oben dunkel: Es ist vor allem diese Umkehrung, mit der Cardillo nicht nur eine dramatische Spannung, sondern auch eine sinnliche, mystische Atmosphäre erzeugt. Mit 40 Quadratmetern eher überschaubar, hat der Architekt die Galerie in einen sakralen Raum verwandelt – und eine mutige Abwechslung zum ewigen White Cube geschaffen.

Antonino Cardillo spielt mit vertrauten klassischen Formen. Der Umbau des ehemaligen Tresens zu einem symmetrischen Altar erinnert an einen postmodernen Tempelgiebel. Mintgrün sticht das einzige Möbel aus dem klaren Raum heraus. In dem halb ausgeschnittenen Spiegelbogen reflektiert sich der Boden, trompetenförmige Deckenfluter sorgen für eine diffuse Beleuchtung. Crepuscular Green ist eine heilige Höhle, ein Raum für die Kunst. Die Mondrian Suite Gallery wird zur „Heimat der ursprünglichen Schönheit“, ein „Ort, wo die Liebe verflucht wurde.“

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Projektarchitekt

Antonino Cardillo

www.antoninocardillo.com

Mehr Projekte

Das Wohnregal

Ein 45-Quadratmeter-Apartment von Atelier tao+c in Shanghai

Ein 45-Quadratmeter-Apartment von Atelier tao+c in Shanghai

Alles beim Alten

Ein konsequent zirkuläres Interieur von Lucas Muñoz Muñoz

Ein konsequent zirkuläres Interieur von Lucas Muñoz Muñoz

Reversibles Design

Modegeschäft in Mailand von Bloomscape und Francesca Perani Enterprise

Modegeschäft in Mailand von Bloomscape und Francesca Perani Enterprise

Die perfekte Welle

Wohnhaus von Omer Arbel in Vancouver fertiggestellt

Wohnhaus von Omer Arbel in Vancouver fertiggestellt

Maritime Farbwelten

Neugestaltung der Bäder im 25hours Hotel Hamburg HafenCity von Stephen Williams Associates

Neugestaltung der Bäder im 25hours Hotel Hamburg HafenCity von Stephen Williams Associates

Nüchterne Stringenz

Apartment von Demo Working Group in Köln

Apartment von Demo Working Group in Köln

Wohnhaus als Food-Labor

Maison Melba von Atelier L’Abri in Quebec

Maison Melba von Atelier L’Abri in Quebec

Lichtdurchfluteter Wohlfühlort

Fiandre-Showroom in Castellarano von Area-17

Fiandre-Showroom in Castellarano von Area-17

Verspielter Brutalismus

Casa Alférez in Mexiko von Ludwig Godefroy Architecture

Casa Alférez in Mexiko von Ludwig Godefroy Architecture

Japanische Poesie

Restaurant Ōkyū in Stuttgart von Studio Komo

Restaurant Ōkyū in Stuttgart von Studio Komo

Alles für die Katz

Ein tierliebes Apartment in Japan von Hiroyasu Imai

Ein tierliebes Apartment in Japan von Hiroyasu Imai

Infrastruktur fürs Glück

Bibliothek in Kirkkonummi von JKMM

Bibliothek in Kirkkonummi von JKMM

Möbel nach Maß

Nachhaltig transformiertes Cartier-Headquarter von Atelier Nova

Nachhaltig transformiertes Cartier-Headquarter von Atelier Nova

Genfer Wahrnehmungsmaschine

Vorhang auf für ein Apartment von Bureau

Vorhang auf für ein Apartment von Bureau

Das Regenbogen-Büro

Innovationsraum Space in Hamburg von Studio Besau-Marguerre

Innovationsraum Space in Hamburg von Studio Besau-Marguerre

Stille Ecke

Pretziadas La Residenza auf Sardinien

Pretziadas La Residenza auf Sardinien

Isländische Geschichte(n)

Hotel in Reykjavík von THG Arkitektar

Hotel in Reykjavík von THG Arkitektar

Wie zwischen Dünen

Restaurant AURA im Wolfsburger Ritz-Carlton von HENN

Restaurant AURA im Wolfsburger Ritz-Carlton von HENN

Haus im Haus

Studio Alexander Fehres „Herzzone” für ein Büro von Roche

Studio Alexander Fehres „Herzzone” für ein Büro von Roche

Utopie unter der Sonne

Atelier du Pont gestaltet das Hotel Son Blanc auf Menorca

Atelier du Pont gestaltet das Hotel Son Blanc auf Menorca

Im Bauch des Wals

Nachhaltiges Wohnhaus von PMMT in Girona

Nachhaltiges Wohnhaus von PMMT in Girona

Familienerbe im Wandel

Hotelumbau von ASAGGIO Architekten in Brixen

Hotelumbau von ASAGGIO Architekten in Brixen

Monolith im Laubwald

Gut getarnte Memphis-Hommage von Jean Verville

Gut getarnte Memphis-Hommage von Jean Verville

Hölzerner Anbau

Ein erweitertes Londoner Reihenhaus von Christian Brailey Architects

Ein erweitertes Londoner Reihenhaus von Christian Brailey Architects

Eine Ausstellung, die Stellung bezieht

Fotografiska Berlin im einstigen Tacheles von Studio Aisslinger

Fotografiska Berlin im einstigen Tacheles von Studio Aisslinger

Avantgardistische Pop-Collage

Ein Apartment ganz in Pastell von AMOO

Ein Apartment ganz in Pastell von AMOO

Erdige Moderne

Villa im Olivenhain vom spanischen Büro Balzar Arquitectos

Villa im Olivenhain vom spanischen Büro Balzar Arquitectos

Kulturelle Schnittstelle

Neue Showrooms von JUNG in Europa und Asien

Neue Showrooms von JUNG in Europa und Asien

Schaufenster fürs Licht

Neues Studio der Lichtmanufaktur PSLab in Berlin

Neues Studio der Lichtmanufaktur PSLab in Berlin

Sandstrand am Stadtrand

Eine portugiesische Landhütte von Pedro Henrique

Eine portugiesische Landhütte von Pedro Henrique