Holz in der Hütte
Rundum schräg: die moderne Weinbauernhütte in Mondragon.
Wenn Begriffe sich nicht in eine andere Sprache übertragen lassen, kann das manchmal an der mangelnden Relevanz des Themas in der anderen Kultur liegen. So verhält es sich auch mit der Cabotte. Die kleine Hütte kommt ausschließlich in Frankreich vor, wird nur von Winzern genutzt und ist traditionell aus Stein gemauert. Im Städtchen Mondragon haben h2o Architectes jetzt einem Weinbauern eine moderne Cabotte gebaut, die sich an der Tradition orientiert, aber ganz auf Holz setzt.
Die sanften Hügel scheinen über die harschen Seiten der Natur hinwegtäuschen zu wollen. Die sandige Spitze der höchsten Erhebung, des Mont Ventoux, allerdings erzählt von heißen Sommern und rauen Wintern, von Wind, Sonne und Regen. Der Berg bestimmt auch den Horizont der kleinen Cabotte von h2o Architectes, die sich an den Hang schmiegt, als wolle sie sich vor dem Wetter ducken. Boden, Klima und Bauern gehen in diesem Landstrich eine Verbindung ein, aus der einzigartige Weine hervorgehen. Die Franzosen nennen das Terroir – ein weiteres Wort, für das es keine Übersetzung in eine andere Sprache gibt. Der Weg zu einem guten Wein mit Terroir ist in den kargen Hügeln oft ein mühseliger Kampf. Zum Schutz vor der Witterung bauten sich die Bauern einfache runde Hütten aus Findlingen, schichteten Stein auf Stein zu Trockenmauern auf. Die Cabotte diente als Zufluchtsort, aber auch als Lagerraum und Schlaflager in Notsituationen.
Holz allein
Die steinernen Bauten sind ein regionales Kulturgut, wenn auch viele, kaum mehr genutzt, langsam in sich zusammenfallen. Der Neubau in Mondragon soll deshalb als Hommage an die Tradition verstanden werden und gleichzeitig gegenwärtige Nutzungsanforderungen bedienen. Als Ergänzung zum größeren Gebäude der Weinproduktion sind in dem kleinen Pavillon mehrere Funktionsbereiche untergebracht. Er empfängt Besucher zur Weinverkostung, bietet ein Büro und einen Waschraum für die Weinbauern. Die Konstruktion mit ihren dicken Wänden und auch die Nutzung beziehen sich frei auf die einheimische Architekturtradition. Die größte Abweichung vom lokalen Brauch ist die Wahl des Materials. Das Gerüst aus Holzbalken wird von vertikal laufenden Brettern verkleidet, der Boden ist aus Balken und selbst die Dämmung ist aus Zellstoffwatte.
Raum- und Sichtachsen
Das Gebäude ist in drei Flügel unterteilt, die sich als klassischer Giebelhausquerschnitt vom Zentrum aus in die Landschaft schieben. Jeder Gebäuderiegel richtet sich auf eine Besonderheit der Natur: Die große Fensterfront gibt den Weintestern den Blick auf den Mont Ventoux frei, das Büro zeigt zum Haupteingang und der Versorgungsbereich für die Weinbauern weist auf den Rebberg. Natur und Licht scheinen in den konsequent weiß gehaltenen Innenraum zu fließen, der aufgrund seiner monochromen Gestaltung und der teilweise in die Wand integrierten Regale wie aus einem Guss wirkt. Gebrochen wird die körperhafte Architektur durch eine leichte Verschiebung der Geometrie, wenn die Linie zwischen Wand und Dach beim Lauf um das Gebäude in ihrer Höhe variiert. Die vom Dach bis zum Sockel streng senkrecht ausgerichtete Verkleidung wird nur durch die teilweise asymmetrischen Fenster aufgelockert. Wie eine Architektur gewordene Skizze steht die Hütte in der Landschaft und spielt alle Standortvorteile aus. La Cabotte ist reduziert im Design, im Dialog mit der Natur, dramatisch und doch bescheiden. Und auch das Zwiegespräch mit ihrer eigenen Geschichte wird sich noch fortsetzen. Wenn das Lärchenholz von Regen und Sonne grau gewaschen und gebleicht wird, dann wird sie sich auch farblich der steinernen Ursprungs-Cabotte annähern.