Inkubator für Ideen
Die Organisation und der Charakter dieses Büros im amerikanischen Küstenort Charleston scheinen eine Mischung aus Amt, Jugendherberge und umgenutzter Fabrikhalle zu sein. Was hinter den vielen Türen vonstatten geht, die ordentlich von A bis Q durchbuchstabiert sind, ist nicht direkt ersichtlich. Lange Flure führen von Büro zu Büro, dazwischen finden sich Duschräume, eine Küche und eine „Fahrradgarderobe", in der die zweirädrigen Pendler-Fahrzeuge bis zum Feierabend gelagert werden können. Was FS2 anbietet, ist für die meisten Europäer bisher unbekanntes Terrain. Die sogenannten „Inkubatoren“ sind Brutstätten für neue Ideen, die innovativen Start-Ups aus dem Dienstleistungssektor, dem technologischen Bereich und der Kreativbranche nicht nur Raum und Infrastruktur, sondern auch einen Rundum-Service und gute Kontakte bereitstellen.
Co-Working kennt man auch hierzulande. Die „Inkubatoren“ gehen noch einen Schritt weiter. Angeboten werden nicht nur Arbeitsplatz, Netzwerkanschluss, Rezeption und Konferenzräume, sondern auch die zum eigenen Projekt passenden Nachbarn sowie ein großes Netzwerk bereits etablierter Firmen, die in der Vergangenheit ebenfalls hier ihre ersten Schritte machten. Man unterscheidet deswegen – ähnlich wie an Universitäten – zwischen „Residents“ und „Graduates“. Letztere sind zwar nicht mehr vor Ort, sondern haben sich mit dem Erfolg ihres Businesskonzepts eigene Räumlichkeiten gesucht, stehen aber dem Nachwuchs bei Bedarf mit ihrem Rat zur Seite. Und auch die Stadt fördert und unterstützt das Projekt und hat sich gleich selbst eingemietet: Im Büro des City of Charleston Business Development werden den Start-Ups Kontakte zu Investoren und Risikoanlegern, aber auch zu Experten und Politikern vermittelt.
Lebens-Abschnitts-Büros
Haben die hier entwickelten Projekte Erfolg, ziehen die Mieter weiter. Die Belegung im Haus ist dadurch dynamisch. Vielleicht erinnert das Interieur auch deshalb an ein Hotel: Wie dort den Menschen, wird hier vor allem den Ideen ein temporäres Zuhause geboten. Gestaltet wurden die Räume von The Fabric Urban Design Office, kurz FabricUDO, einem Büro, das neben seinem Schwerpunkt im Bereich der Stadtplanung auch in der Landschaftsgestaltung und Architektur arbeitet und bei Organisation, Zonierung und Strukturierung von Räumlichkeiten als beratende Instanz behilflich ist. Schon 2009 hat das Büro mit The Flagship den ersten Inkubator in Charleston gestaltet, 2011 folgte mit FS2 die zweite Niederlassung.
Veredelte Regalware
Weil das Budget des von der Stadt geförderten Projekts so knapp bemessen war, gestalteten die Planer viele Elemente des Interieurs mit Komponenten „aus dem Regal“, die lediglich kombiniert, umgenutzt oder aufgearbeitet wurden. Typische Baumarkt-Waren wie Leuchtstoffröhren, einfache Holzlatten und Marmorflächen, die sonst als Küchenarbeitsplatten verbaut werden, treffen in den Räumen von FS2 aufeinander.
Das Gebäude wurde einst von einem lokalen Fernsehsender errichtet, der hier sein Studio hatte. Davon zeugen noch die hohen Decken und der industrielle Charakter, den FabricUDO teilweise erhalten und durch eine kanariengelbe Lackierung an Lüftungsrohren und Metallgeländern hervorgehoben hat. Die Raumaufteilung der ehemaligen Aufnahmehalle hingegen musste komplett neu strukturiert werden, um den Mietern verschieden große Büros für zwei bis zwanzig Personen anbieten zu können. Der aufgeweitete und von weichen Rundungen dominierte Flur im Eingangsbereich ist das Herzstück des Büros und führt auch zu den Gemeinschaftsflächen der Mieter, wie Konferenzzimmer und eine Lounge. Als besonderen Bonus mit Lokalkolorit gibt es zusätzlich die bereits erwähnte „Fahrradgarderobe“, ein Gestell, in das Fahrräder eingehängt werden können. Daneben sollen auch Schließfächer und eine Dusche zum Umstieg aufs Zweirad einladen – indem sie als Auto-Alternative für Erfrischung im subtropischen Klima der südlichen amerikanischen Ostküste sorgen.