Eurocucina 2018: Küche mit Eigenschaften
Wir wollen mehr! Die Küchenbranche mischt Mailand auf – mit Materialbrocken, modularen Luxuskuben und japanischen Platzsparwundern.
Wir wollen mehr, hat sich die Küchenmöbel- und Elektrogerätebranche gedacht – und Mailand kräftig aufgemischt: mit Materialbrocken, modularen Luxuskuben und japanischen Platzsparwundern.
Wenn die Verkäufe so explodierten wie die Besucherzahlen von Salone del Mobile und Eurocucina – die Hersteller würden jubilieren. 17 Prozent mehr Besucher zählte der Veranstalter – im Vergleich zu 2016, als das Messedoppel zuletzt stattfand. Auch die Designqualität der Küchenmöbel- und Elektrogeräteaussteller hat gewonnen, denn es gab kaum noch Ausreißer nach unten. Leider aber auch nicht nach oben. Und genau dort liegt der Knackpunkt.
Minimal und Material
Selbst einem geübten Auge fällt es schwer, die Entwürfe voneinander zu unterscheiden. Zwar gibt es Qualitätsunterschiede, gerade wenn es um Materialien und ihre Verarbeitung geht, doch formal gleichen sich die Küchenmöbel immer mehr an: klare Linienführung, grifflose Fronten, ausgefeiltes Innenleben – kurz: Minimal Kitchen, meist mit der klassischen Aufteilung von Kücheninsel und raumhohen Wandschränken. Was sich ein wenig langweilig anhört, muss es aber nicht unbedingt sein. Mehr noch als auf der LivingKitchen in Köln, setzt das Gros der Hersteller in Mailand auf Materialkombinationen. Mit Vorliebe wird auf das Nebeneinander von Naturstein und Holz gesetzt – für Fronten und Arbeitsplatten. Das sieht nicht nur gut aus, sondern sorgt für sinnliche Erlebnisse, ebenso wie die vermehrt anzutreffenden Keramik- und Metalloberflächen. Dabei zeichnen sich zwei gestalterische Richtungen ab: regelrechte Materialschlachten, bei der die Arbeitsplatten aus Naturstein zehn bis zwanzig Zentimeter dick sind und oft ein Becken aus demselben Material integrieren – gesehen bei Dada oder im neuen Showroom von Arclinea in der Via Durini. Für das Gegenteil des Aus-dem-Vollen-Schöpfen hat sich Team 7 entschieden: Die Österreicher stellten mit Filigno eine Küche vor, die durch extrem dünne Fronten aus weiß lasiertem Eichenholz auffällt, was den minimalistischen Look verstärkt.
Die Küchenbox ist da!
Überraschungen konnte man in den überfüllten Messehallen von Eurocucina und der Einbauelektrogeräte-Schau FTK Technology meets the Kitchen auch erleben. Ein Highlight etwa bot Sanwa, ein Hersteller aus Japan, der nicht nur mit einem attraktiven Messestand auffiel, sondern gleich acht verschiedene Miniküchen vorstellte, darunter ein farbenfroher Küchenschrank vom italienischen Design-Tausendsassa Alessandro Mendini. Die Japaner wissen schon lange, dass Wohnraum zumindest in Großstädten knapp wird und dass deshalb kompakte Küchen statt ausufernde Kochlandschaften gefragt sind. Das Problem des Platzmangels wird der typische Boffi-Kunde wohl eher nicht kennen und hat fortan die Wahl zwischen zwei neuen, ganz unterschiedlichen Küchenkonzepten. Norbert Wangen hat sein Erfolgsmodell weiterentwickelt und mit K6 einen Küchenblock gestaltet, dessen Arbeitsfläche komplett verschlossen werden kann. Neu ist, dass der Schiebemechanismus der Holzabdeckung, die ausgefahren als stabiler Tisch dient, statt zur Seite nun nach hinten geschoben wird. Piero Lissonis Entwurf Combine ist komplexer und erschließt sich nicht auf den ersten Blick. „Die klassische Küche hat mich schon lange gelangweilt“, seufzte der Designer im Showroom. Seine Idee stattdessen: Fünf Boxen, ausgestattet mit Funktionen wie Kochen, Spülen, Stauraum, werden mit Tischen und Arbeitsplatten zu einer kompletten Küche oder kommen einzeln zum Einsatz.
Tischgeschichte(n)
Während die meisten Küchenmöbelhersteller in Mailand lediglich mit gestalterischen Neuheiten glänzten, geht es bulthaup immer auch um die gesellschaftliche Bedeutung der Küche. Der bayrische Hersteller sorgte für überraschende Momente in der säkularisierten Kirche San Carpoforo in Brera, denn neben den b Solitaires hatte man eine aufsehenerregende Konzeptstudie mitgebracht: b.architecture. Sie stellt den Tisch in den Mittelpunkt des Küchengeschehens und hat ihn dafür mit ganz neuen Funktionen belegt. Durchgehende Metallschienen und -wannen können mittels elektromagnetischen Stäben unterschiedlich temperiert werden – von 12 bis 40 Grad Celsius. So bleibt die Flasche Weißwein hier schön kühl, während nebenan ein Topf mit Spargel-Kartoffel-Pasta warm gehalten wird und speziell entwickelte Kräutertöpfe sich Wasser aus einem darunterliegenden Reservoir ziehen. Als alle an den Tischen saßen, die bayrisch-japanischen Köstlichkeiten des Münchner Sternekochs Tohru Nakamura probierten (der bulthaup bei der Entwicklung beratend zur Seite gestanden hatte), über Mailand und die Küchenneuheiten plauderten, zeigte sich: Es funktioniert!
Eurocucina, FTK Technology meets the Kitchen, Fuorisalone: Mailand übt eine besondere Anziehung aus, wenn es ums Thema Küche und Kochen geht. Zwar versuchten sich die meisten Hersteller in formalen Variationen und verbissen sich geradezu ins Detail, doch Hersteller wie bulthaup, Sanwa und Boffi zeigen, dass durchaus noch Luft nach oben ist.
Bildergalerie mit allen Highlights …
Eurocucina/ Fuorisalone 2018: neue Produkte
Combine
QB 01
Antarctic
Besteck Muller van Severen
OCO
Frame