Ingo Maurer: Lieferung mit Leuchtmittel
Was steht im Mittelpunkt der Arbeit eines Leuchtendesigners? Keine Frage, die Qualität und Inszenierung des Lichts natürlich. Das gilt selbstverständlich auch für Ingo Maurer, den „Lichtgestalter“ aus München, der mit seinen Leuchten und Lichtinstallationen internationale Erfolge feiern konnte. Dennoch gibt es in seinem Werk einen zweiten Fixstern, der genauso hell leuchtet: den Nutzer. In seinen Entwürfen bezieht sich Maurer immer auch auf die Menschen, die mit dem Licht leben. Das Berliner Bauhaus-Archiv widmet dem 78-jährigen eine kleine Retrospektive mit 30 Leuchtobjekten vom Anfang seiner Karriere bis in die Gegenwart, die ab heute unter dem Titel „Lieferung mit Leuchtmittel. Licht von Ingo Maurer“ zu sehen ist.
Ein Musterbeispiel dafür, wie Ingo Maurer für den Benutzer entwirft, ist das Lichtsystem „YaYaHo“ von 1984, mit dem er die Beleuchtungswelt revolutionierte. Seitdem unzählige Male kopiert, ist die Gestaltung des Niedervolt-Halogensystems mit den zwischen zwei Kabel abgehängten Leuchtkörpern erst vollendet, wenn der Käufer die Seile gespannt und die Leuchten verteilt hat. Keine Installation von „YaYaHo“ gleicht der anderen, zumal insgesamt 276 Elemente zur Auswahl stehen. Gleich rechts neben dem Eingang zeigt die Berliner Ausstellung eine Variante zusammen mit Verpackungen und Bohrschablone für das einfache Anbringen. Maurers Erfindung hat die Innenarchitektur der achtziger Jahre geprägt wie nur wenig anderes.
Leuchten mit exzentrischem Auftritt
Überhaupt wähnt man sich in der Ausstellung oft mitten in den Achtzigern: Ingo Maurers Entwürfe sprechen die Designsprache dieses Jahrzehnts, sind häufig erzählerisch, ironisch, bringen vermeintlich Unvereinbares zusammen und scheuen auch den exzentrischen Auftritt nicht. Wie die Hängeleuchte „Porca Miseria“ (1994), eine zum Bild gefrorene Porzellanexplosion: Ausgehend von einem Mittelpunkt, scheinen bei diesem limitierten Designobjekt Bruchstücke von weißem Geschirr und Besteckteile in alle Richtungen zu fliegen. In der Mitte sitzt das Leuchtmittel, umgeben von einem Zylinder aus Metallnetz. In dieses Netz werden die dünnen Metallstäbe gesteckt, an deren Enden die Porzellanscherben befestig sind. Durch die Transluzenz des Porzellans ergeben sich schöne Lichteffekte.
Nur drei bis vier dieser spektakulären, aber aufwändigen Leuchten lässt Maurer pro Jahr fertigen – mehr schafft sein Unternehmen schlicht nicht. Denn Ingo Maurer entwirft nicht nur, er produziert die Entwürfe auch selbst. In seiner Münchner Manufaktur beschäftigt er rund 70 Mitarbeiter, davon ein gutes Duzend in der Designabteilung. Maurer fördert seine Angestellten, einige der Leuchten im Portfolio des Unternehmens stammen nicht von ihm selbst, sondern von Mitarbeitern. In der Ausstellung ist beispielsweise die LED-Tischleuchte „Jetzt“ (2009) zu sehen, ein Entwurf von Axel Schmid aus eloxierten Aluminiumbändern. Maurer wirkt wie ein väterlicher Freund – seine Mitarbeiter duzen ihn, und Zweifel, Selbstkritik und die Auseinandersetzung im Team haben für ihn, wie er betont, große Bedeutung. Die Verantwortung für sein Unternehmen ist für ihn „Last und Antrieb zugleich“.
Zukunftstechnologie mit Einschränkungen
Dass Ingo Maurer bei seiner Arbeit stets die Bedürfnisse der Nutzer im Blick hat, zeigt auch seine Empörung über den Bann der Glühbirne. Nicht nur, dass eine „Ikone“ verboten worden ist, die Basis vieler seiner Entwürfe ist – der vermeintliche Ersatz Energiesparlampe sei schlecht für die Psyche, wie er sagt, denn sie erfülle nicht die „Lichtbedürfnisse der Menschen“. Um das zu beweisen, hat er kürzlich in seinem Münchner Showroom zwei identische Räume eingerichtet, einer mit Glühlampen, einer mit den Sparlampen erhellt. „Es war erschreckend. Im Licht der Sparlampe verschwanden die Farben.“
Doch die Ausstellung zeigt auch: Seit Jahren schon beschäftigt sich Ingo Maurer mit dem potenziellen Glühbirnenersatz LED und OLED. „Wir sind überzeugt von OLED, das ist die Zukunft.“ Allerdings räumt er ein, dass die Qualität des Lichts zu wünschen übrig lasse: „Es ist monoton und langweilig, wir kombinieren es mit anderem Licht.“ Die LED-Leuchten in der Ausstellung offenbaren ein weiteres Problem: LEDs sind naturgemäß klein und strahlen zwar hell, aber punktförmig und ohne Aura. Maurer nutzt diese Eigenschaften für sehr grafisch wirkende Leuchten. Aber atmosphärische, gar wohnliche Beleuchtung, wie wir sie bislang kennen, entsteht damit kaum.
Welche zentrale Rolle das richtige Leuchtmittel für Ingo Maurers Entwürfe spielt, zeigt auch der Titel der Ausstellung: „Lieferung mit Leuchtmittel“. Er greift einen Vermerk auf, der die meisten Produkte im Katalog des Unternehmens begleitet. Der Kunde erhält nicht nur die Leuchte, sondern auch das vom Gestalter für passend befundene Mittel dazu, egal, ob es sich um Halogen, LED oder eine Glühbirne handelt. Denn die Lichtwirkung ist bei jedem Entwurf natürlich genau kalkuliert, etwa bei der überdimensionalen Hängeleuchte „XXL Dome“, die in zwei Exemplaren den Ausstellungsraum im Bauhaus-Archiv mit ihrem sanften roten Schimmer erhellt. Mit dem falschen Leuchtmittel wäre die Wirkung schnell dahin.
Vexierbild Glühbirne
Die Ausstellung ist trotz Niedervolt-Halogen und OLED-Protoypen ein Paradies für Glühlampenliebhaber: Natürlich mit im Aufgebot ist Ingo Maurers allererster Entwurf „Bulb“ von 1966, ein Geniestreich im Geiste des Pop. Die Idee, eine Glühbirne zur Hülle für eine Glühbirne zu machen, begeistert noch heute mit ihrer Einfachheit und ihrem Witz. Mit dem gefiederten „Lucellino“ (1992) bekommt das industrielle Massenprodukt Birne die fröhliche Leichtigkeit eines umherzwitschernden Vögelchens. Und als geradezu prophetisch erweist sich ein Entwurf von 1997: das Leuchtobjekt „Wo bist du, Edison, …?“. Eine schwarze Leuchtenfassung hängt nackt an einem Kabel, darunter schwebt ein transparenter Zylinder aus Acrylglas. Wenn die in der Fassung unsichtbar verborgene Halogenlampe angeschaltet wird, verwandelt sich die Leuchte in ein Vexierbild. Wie eine übersinnliche Erscheinung taucht plötzlich in der Mitte des Zylinders eine in allen Farben schillernde Glühbirne auf. Doch wer sie anfassen möchte, greift ins Leere: Es handelt sich lediglich um ein körperloses Hologramm. Die Birne ist verschwunden. Uns bleibt nur eine unerreichbare Fata Morgana.
Ein Musterbeispiel dafür, wie Ingo Maurer für den Benutzer entwirft, ist das Lichtsystem „YaYaHo“ von 1984, mit dem er die Beleuchtungswelt revolutionierte. Seitdem unzählige Male kopiert, ist die Gestaltung des Niedervolt-Halogensystems mit den zwischen zwei Kabel abgehängten Leuchtkörpern erst vollendet, wenn der Käufer die Seile gespannt und die Leuchten verteilt hat. Keine Installation von „YaYaHo“ gleicht der anderen, zumal insgesamt 276 Elemente zur Auswahl stehen. Gleich rechts neben dem Eingang zeigt die Berliner Ausstellung eine Variante zusammen mit Verpackungen und Bohrschablone für das einfache Anbringen. Maurers Erfindung hat die Innenarchitektur der achtziger Jahre geprägt wie nur wenig anderes.
Leuchten mit exzentrischem Auftritt
Überhaupt wähnt man sich in der Ausstellung oft mitten in den Achtzigern: Ingo Maurers Entwürfe sprechen die Designsprache dieses Jahrzehnts, sind häufig erzählerisch, ironisch, bringen vermeintlich Unvereinbares zusammen und scheuen auch den exzentrischen Auftritt nicht. Wie die Hängeleuchte „Porca Miseria“ (1994), eine zum Bild gefrorene Porzellanexplosion: Ausgehend von einem Mittelpunkt, scheinen bei diesem limitierten Designobjekt Bruchstücke von weißem Geschirr und Besteckteile in alle Richtungen zu fliegen. In der Mitte sitzt das Leuchtmittel, umgeben von einem Zylinder aus Metallnetz. In dieses Netz werden die dünnen Metallstäbe gesteckt, an deren Enden die Porzellanscherben befestig sind. Durch die Transluzenz des Porzellans ergeben sich schöne Lichteffekte.
Nur drei bis vier dieser spektakulären, aber aufwändigen Leuchten lässt Maurer pro Jahr fertigen – mehr schafft sein Unternehmen schlicht nicht. Denn Ingo Maurer entwirft nicht nur, er produziert die Entwürfe auch selbst. In seiner Münchner Manufaktur beschäftigt er rund 70 Mitarbeiter, davon ein gutes Duzend in der Designabteilung. Maurer fördert seine Angestellten, einige der Leuchten im Portfolio des Unternehmens stammen nicht von ihm selbst, sondern von Mitarbeitern. In der Ausstellung ist beispielsweise die LED-Tischleuchte „Jetzt“ (2009) zu sehen, ein Entwurf von Axel Schmid aus eloxierten Aluminiumbändern. Maurer wirkt wie ein väterlicher Freund – seine Mitarbeiter duzen ihn, und Zweifel, Selbstkritik und die Auseinandersetzung im Team haben für ihn, wie er betont, große Bedeutung. Die Verantwortung für sein Unternehmen ist für ihn „Last und Antrieb zugleich“.
Zukunftstechnologie mit Einschränkungen
Dass Ingo Maurer bei seiner Arbeit stets die Bedürfnisse der Nutzer im Blick hat, zeigt auch seine Empörung über den Bann der Glühbirne. Nicht nur, dass eine „Ikone“ verboten worden ist, die Basis vieler seiner Entwürfe ist – der vermeintliche Ersatz Energiesparlampe sei schlecht für die Psyche, wie er sagt, denn sie erfülle nicht die „Lichtbedürfnisse der Menschen“. Um das zu beweisen, hat er kürzlich in seinem Münchner Showroom zwei identische Räume eingerichtet, einer mit Glühlampen, einer mit den Sparlampen erhellt. „Es war erschreckend. Im Licht der Sparlampe verschwanden die Farben.“
Doch die Ausstellung zeigt auch: Seit Jahren schon beschäftigt sich Ingo Maurer mit dem potenziellen Glühbirnenersatz LED und OLED. „Wir sind überzeugt von OLED, das ist die Zukunft.“ Allerdings räumt er ein, dass die Qualität des Lichts zu wünschen übrig lasse: „Es ist monoton und langweilig, wir kombinieren es mit anderem Licht.“ Die LED-Leuchten in der Ausstellung offenbaren ein weiteres Problem: LEDs sind naturgemäß klein und strahlen zwar hell, aber punktförmig und ohne Aura. Maurer nutzt diese Eigenschaften für sehr grafisch wirkende Leuchten. Aber atmosphärische, gar wohnliche Beleuchtung, wie wir sie bislang kennen, entsteht damit kaum.
Welche zentrale Rolle das richtige Leuchtmittel für Ingo Maurers Entwürfe spielt, zeigt auch der Titel der Ausstellung: „Lieferung mit Leuchtmittel“. Er greift einen Vermerk auf, der die meisten Produkte im Katalog des Unternehmens begleitet. Der Kunde erhält nicht nur die Leuchte, sondern auch das vom Gestalter für passend befundene Mittel dazu, egal, ob es sich um Halogen, LED oder eine Glühbirne handelt. Denn die Lichtwirkung ist bei jedem Entwurf natürlich genau kalkuliert, etwa bei der überdimensionalen Hängeleuchte „XXL Dome“, die in zwei Exemplaren den Ausstellungsraum im Bauhaus-Archiv mit ihrem sanften roten Schimmer erhellt. Mit dem falschen Leuchtmittel wäre die Wirkung schnell dahin.
Vexierbild Glühbirne
Die Ausstellung ist trotz Niedervolt-Halogen und OLED-Protoypen ein Paradies für Glühlampenliebhaber: Natürlich mit im Aufgebot ist Ingo Maurers allererster Entwurf „Bulb“ von 1966, ein Geniestreich im Geiste des Pop. Die Idee, eine Glühbirne zur Hülle für eine Glühbirne zu machen, begeistert noch heute mit ihrer Einfachheit und ihrem Witz. Mit dem gefiederten „Lucellino“ (1992) bekommt das industrielle Massenprodukt Birne die fröhliche Leichtigkeit eines umherzwitschernden Vögelchens. Und als geradezu prophetisch erweist sich ein Entwurf von 1997: das Leuchtobjekt „Wo bist du, Edison, …?“. Eine schwarze Leuchtenfassung hängt nackt an einem Kabel, darunter schwebt ein transparenter Zylinder aus Acrylglas. Wenn die in der Fassung unsichtbar verborgene Halogenlampe angeschaltet wird, verwandelt sich die Leuchte in ein Vexierbild. Wie eine übersinnliche Erscheinung taucht plötzlich in der Mitte des Zylinders eine in allen Farben schillernde Glühbirne auf. Doch wer sie anfassen möchte, greift ins Leere: Es handelt sich lediglich um ein körperloses Hologramm. Die Birne ist verschwunden. Uns bleibt nur eine unerreichbare Fata Morgana.
Links
Bauhaus-Archiv, Berlin
www.bauhaus.deIngo Maurer, München
www.ingo-maurer.comLeuchten
www.designlines.deU-Bahnstation Münchner Freiheit, München
www.designlines.de