Nachts im Museum
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Olafur Eliasson hat bereits vor neun Jahren eine überdimensionale Sonne in Londons Kunstmuseum Tate Modern aufgehen lassen. Nun ist der isländisch-dänische Künstler mit Little Sun zurückgekehrt, mit einem Projekt, das um die Welt gehen und Licht in Länder ohne funktionierendes Stromnetz bringen soll.
Kurz vor Mitternacht betritt eine Gestalt den dunklen Raum mit langsamen, fast vorsichtigen Schritten. Sie hält eine kleine Leuchte in der Hand, mit deren Hilfe sie die an den Wänden hängenden surrealistischen Gemälde aus der Dunkelheit auftauchen lässt. Doch bei der Gestalt handelt es sich keinesfalls um einen Dieb, der auf dem besten Weg ist, einen Kunstraub zu begehen. Vielmehr gehört sie zu den nächtlichen Besuchern von Olafur Eliassons neuem Werk Little Sun, das Londons verdunkelte Tate Modern jede Samstagnacht dieses Spätsommers zum Leuchten bringt.
Natureindruck von Nicht-Natur
Es ist nicht das erste Mal, dass der dänische Künstler isländischer Herkunft in dem weltweit größten Museum für moderne Kunst eine spektakuläre Lichtarbeit zeigt. Schon 2003 konzipierte er für die Ausstellung The Weather Project in der Turbinenhalle des ehemaligen Kraftwerks eine überdimensionale Abendsonne aus monofrequenten Leuchtstoffröhren. Die riesige Installation, die in vielerlei Hinsicht als exemplarisch für Olafur Eliassons Arbeiten mit Licht, gar für sein ganzes bisheriges Oeuvre gilt, war keinesfalls selbstreferenziell, sondern strebte die Partizipation des Besuchers an – ein Grundzug, der in all seinen Werken zu finden ist.
LED versus Kerosin
Gemeinsam mit dem dänischen Ingenieur Frederik Ottesen hat Olafur Eliasson nun die kleine, tragbare LED-Leuchte namens Little Sun konzipiert, die in erster Linie Licht in Regionen ohne Strom bringen und somit die dort üblichen, gesundheitsschädlichen Kerosinlampen ersetzen soll. Von vorn hat das gelbe Kunststoffobjekt Ähnlichkeit mit einer Sonne oder Sonnenblume; auf der Rückseite ist eine Solarzelle eingebaut, die fünf Stunden Sonnenlicht in fünf Stunden LED-Licht verwandeln kann. Zudem hat Olafur Eliasson ein marktwirtschaftlich orientiertes Geschäftsmodell namens „profit to the point“ entwickelt. Es umfasst nicht nur die Produktion der Leuchte, sondern auch ihren Vertrieb bis hin zum Einzelhändler, der vielleicht mit dem Fahrrad von einem Dorf zum nächsten fährt.
Kunst jenseit des Objekts
Für Olafur Eliasson ist ein Kunstwerk niemals nur das Objekt an sich. „Es ist auch die Erfahrung und seine kontextuelle Auswirkung, wie es verwendet und ausgenutzt wird, wie es Fragen aufwirft und Wege des Denkens und Lebens verändert“, erklärt der Künstler. „Das gleiche gilt für Little Sun. Die solar-betriebene Laterne und die Wirkung ihres Lichts sind nur ein Element des Kunstwerkes; genauso wichtig ist die Art, wie sie uns zusammenführt und was sie uns über Energienutzung erzählt. Ihre Verbreitung, der Businessplan und die erfolgreiche Integration in Gegenden, die vom Strom abgekoppelt sind – der gesamte Weg von der Produktion zur Nutzung – ist also Teil der Kunst.“
Das Londoner Blackout
In der Tate Modern möchte Olafur Eliasson die Besucher animieren, durch Bewegungen eine spielerische Beziehung zu den Kunstwerken aufzubauen. Das Handgelenk soll zu einer Art Auge werden. Dass dabei die Wahl auf die Sammlung der Surrealisten fiel, ist keinesfalls Zufall. Schon der amerikanische Künstler Man Ray sorgte 1938 in der Pariser Galerie Beaux-Arts für einen „Blackout“ – oder Stromausfall: Angeblich ließ der sogenannte Beleuchtungsmeister die Exposition Internationale du Surréalisme am Eröffnungsabend verdunkeln und die Besucher mit Taschenlampen durch die Räume spazieren. Ähnlich wie damals wandeln nun die Ausstellungsbesucher in London mit Eliassons handtellergroßen LED-Leuchten durch die Hallen, lassen die Lichtkegel wandern und nehmen nicht nur die Kunst und den Gegenüber anders wahr, sondern vielleicht auch den eigenen Körper und dessen Bewegungen im Verhältnis zur räumlichen Umgebung.
Olafur Eliasson: Little Sun
Tate Modern
28. Juli bis 23. September 2012
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