Toelke trifft... #5
Andreas Toelke trifft David Chipperfield und lernt, dass der Brite baut, was er sagt.
Der Stein des Leisen
Common Ground nannte David Chipperfield als Direktor der Architekturbiennale 2012 seine Suche nach dem demokratischen Konsens. Sein Nachfolger Rem Koolhaas untersucht dagegen dieses Jahr die Fundamentals. Während der (vermeintlich) konservative Architekt Chipperfield also den Status Quo kritisch beleuchtet, schaut der Avantgardist Koolhaas zurück.
Chipperfields Systemkritik ist damals im größtmöglichen Rahmen verhandelt worden. Und bis heute sein Thema. Aber demontiert der Meister des Understatements sich nicht selbst, wenn er vom „Ende der biografischen Architektur“ spricht? Ein Postulat, zutiefst demokratisch und vielleicht darum so provokant: Architekten sollen aufhören, ständig für das eigene Ego zu bauen, getreu dem Motto: Schaut her, ich kann‘s. Chipperfield, unbestritten einer der ganz Großen der zeitgenössischen Architektur, hat sich seinen Namen auch dadurch gemacht, dass sich seine Gebäude sensibel in Stadtlandschaften einfügen. Im Gegensatz zu Mitstreitern wie Hadid und eben Rem Koolhaas. Viele von Chipperfields Gebäuden gelten heute schon als moderne Klassiker, die auf Substanz mit dem erwähnten Understatement setzen.
No more Ego-Show
Seinen Ansatz „Stadt für alle“ unterstreicht er mit der Forderung nach „mehr Kommunikation von Bewohnern und Planern“. Dazu gehört für David Chipperfield die Veränderung des Starsystems. Ihm ist die Ego-Show suspekt. Er will wissen, warum und für wen er gestaltet. Eine Frage, die Star David mehr bewegt als alles Andere, und von der er sich wünscht, dass sie ins Zentrum rückt. Aus der Tiefe eines Sofas erläutert er seine grundsätzlichen Bedenken: „Es ist eine Form der Architektur, die selbstreferenziell ist, die dem Architekten Spielraum gibt, seine Vision zu verwirklichen. Die aber selten einen Bezug zu der Stadtlandschaft hat, in der das Gebäude realisiert wird.“
Ästhetik auf der Spitze
Zaha Hadids Oper im chinesischen Guangzhou, eine Skulptur aus Glas und Beton. Frank Gehrys Walt Disney Hall in Los Angeles, Metallwellen im Stadtzentrum. Ein wenig auch die Elbphilharmonie von Herzog & de Meuron in Hamburg – Monolithen, die Ästhetik auf die Spitze treiben und nach Chipperfield den Dialog mit den ihnen unmittelbar ausgelieferten Mitbürgern vermissen lassen.
Paradigmenwechsel
David Chipperfield, der selbst aktuell mehr als 50 Projekte weltweit betreut, der Niederlassungen in London, Berlin, Mailand und Shanghai unterhält und rund 150 Mitarbeiter beschäftigt – David Chipperfield ist dennoch zu sehr Gentleman, um seine Kollegen vorzuführen: „Es geht nicht darum, eine ästhetische Qualität in Frage zu stellen. Von daher ist es auch irrelevant, an Beispielen zu erörtern, ob ich etwas gut oder schlecht finde. All das, was in den letzten Jahren an ikonenhaften Gebäuden entstanden ist, war gut so. Weil sie Formensprache und Sensibilität weiterentwickelt haben. Aber ich erlebe einen Paradigmenwechsel. Architektur muss lokale Bezüge stärker berücksichtigen.“ Vielleicht ist es einfacher, ihn an den eigenen Arbeiten zu messen, um seinen Anspruch zu verstehen.
Feinsinn statt Kleister
Von der Berliner Museumsinsel bis zur Turner Contemporary-Galerie an der englischen Südküste – Eleganz und Feinsinnigkeit kennzeichnen seine Entwürfe. Besonders am Neuen Museum, Teil der Berliner Museumsinsel, wird sichtbar, was Chippies Qualität ausmacht. Der gänzlich zerstörte Nordwestflügel wurde in Anlehnung an die ursprünglichen Volumina und Raumfolgen wiederhergestellt. Das Entree mit Treppenhaus ist die Visitenkarte für Chipperfields großes Verständnis, historische Substanz mit zeitgenössischen Stilmitteln zu ergänzen. Ohne das Vorhandene zu kitschig zu verkleistern.
Museumsmann
Ganz im Gegenteil: Die rauen Wände mit sichtbaren Einschusslöchern aus dem Zweiten Weltkrieg bleiben. Das Treppenhaus bildet einen neuen Raum im Raum, ohne zu intervenieren. 2010 bekam Chipperfield berechtigterweise dafür den Preis für Architektur des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt. „Und danach war ich endgültig der Museumsarchitekt – ich würde so gerne mal einen Flughafen bauen“, kommentiert er das Thema bei einem Treffen in Zürich lakonisch. Auch dort: Chipperfield wurde engagiert, um das Kunsthaus, einen seelenlosen Zweckbau, zu retten. Die Philosophie, die seine Arbeit begleitet, formulierte er in Fragen: „Worum geht es? Jedes Projekt hat seine ureigenen Bedingungen. Und der Architekt muss sich jedes Mal neu die Fragen stellen: Was ist das Potenzial? Was ist die Ausgangssituation? Welche Lösungen bieten sich aufgrund der Gegebenheiten an? Welche schließen sich aus?“
Nicht aus dem Nichts
Selbst er ist gegenüber Auftraggebern mit dieser Haltung in Erklärungsnot: „Dass ich nicht einfach aus dem Nichts beginne zu planen, muss ich den Bauherren jedes Mal aufs Neue vermitteln." Er tut es auf seine ganz eigene Art und Weise. Mit den wahrscheinlich am besten choreografierten Präsentationen seiner Zunft. Die Mitarbeiter erläutern, erklären, stellen vor, der Meister selbst ist stiller Beobachter. Auf den sich alle Augen richten. Erst im Für und Wider wird seine sanfte Stimme hörbar. Bitte nicht täuschen lassen, der Mann ist streitbar: „Wenn der Architekt als Dienstleister eingekauft wird, ist das bedenklich. Man kann einen Buchhalter einkaufen, einen Ingenieur – und mit dem entsprechenden Geld eben auch einen Architekten. Natürlich empfiehlt ein Architekt den teureren Stein, weil das der Stein ist, der regionalen Bezug hat, der am längsten hält und der ästhetisch stimmt. Und den der Buchhalter überflüssig findet, weil es ja preiswerter ginge. Wenn der Common Sense „Hauptsache billig" ist, wie soll ein Architekt Qualität schaffen?“ Bei Chipperfield ist Geist geil...
Wer entscheidet?
Und dann legt er seinen Bauherren Kostenvoranschläge vor, die im ersten Moment den Puls nach oben sausen lassen. Dafür liegt David Chipperfield am Ende meistens knapp unter den angepeilten Kosten. Architektur mit allumfassendem Anspruch – human, handwerklich, mit kulturellem Verständnis. „Ich werde nervös bei dem Gedanken, dass nur Firmensitze, Opernhäuser und Museen zum Maßstab für zeitgenössische Architektur werden, weil Gremien und Vorstände über ganze Stadtlandschaften entscheiden. Wir brauchen einen Diskurs jenseits der Insiderkreise.“ Ein hehrer Anspruch, den er da formuliert. Und den er mit seinen Arbeiten erfüllt.
David Chipperfield
www.davidchipperfield.co.ukMehr Stories
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