Ausgezeichnete Architektur und große Namen
Vier Tage Architektur nonstop: Mit zahlreichen Vorträgen, Gesprächsrunden und einer Preisverleihung zog der Kongress „Contractworld“ Architekten und Innenarchitekten am vergangenen Wochenende nach Hannover. In einem eigens errichteten Kongresszentrum vom Architekturbüro blauraum auf dem Gelände der Messe „Domotex“ standen internationale Größen wie David Chipperfield oder Mario Botta auf dem Podium, um dem Publikum ihre Projekte vorzustellen. Gleich am ersten Tag wurde der „Contractworld Award“ in fünf Kategorien verliehen.
In der Kategorie „Office/Büro/Verwaltung“ ging der erste Preis an Junya Ishigami Associates aus Tokio für ein studentisches Workshop-Gebäude am Kanagawa Institute of Technology in Kanagawa, Japan. Diese bereits mehrfach preisgekrönte lichte Halle mit ihrem Säulenwald aus vielen verschiedenen Stützen konnte sich gegen das Projekt „Frog Queen“ des Grazer Büros Splitterwerk und Hiendl Schineis’ „Werk- und Denklabor Pauker“ durchsetzen.
Internationale Preisträger
In der Kategorie „Hotel/Spa/Gastronomie“ entschied sich die Jury um den Berliner Architekten Jan Kleihues ebenfalls für einen Beitrag aus Japan: das „Aoba-tei“-Restaurant in Sendai-City von Hitoshi Abe. Die französische Architektin Manuelle Gautrand konnte mit „C42“ , einem Citröen-Flagshipshowroom in Paris, die Kategorie „Shop/Showroom/Messestand“ für sich entscheiden. Der erste Preis für eine Umnutzung ging an das portugiesische Büro Embaixada für den Umbau eines historischen Gebäudes in Tomar, Portugal zu Verwaltungs- und Ausstellungszwecken. Zwei Sonderpreise für Architekten unter 40 Jahren bekamen Ex-studio aus Barcelona und Plasma Studio aus London. Insgesamt wählte die Jury 14 preiswürdige Projekte aus einer Fülle von 570 Einsendungen aus. Die Preisträger präsentierten ihre Beiträge in einer kleinen Ausstellung auf dem Kongressareal.
Keine Einzelzellen bei gmp
Der Contractworld-Kongress dauerte insgesamt vier Tage und konnte mit einigen bekannten Namen aufwarten: So referierten David Chipperfield und Hilde Léon über das Thema Umnutzung. Jakob van Rijs von MVRDV diskutierte über Ladengestaltung. Mario Botta und Matteo Thun gaben Einblicke in ihre aktuellen Hotel- und Gastronomieprojekte.
Meinhard von Gerkan von gmp nutzte seine Einladung zu einem Vortrag in der Kategorie „Office“ dazu, die verschiedenen Gebäude Revue passieren zu lassen, in den gmp über die Jahre seinen Sitz hatte. Im Moment unterhält das Büro Räumlichkeiten in Deutschland, China, Vietnam, Abu Dabi und Südafrika. Die Zuschauer erfuhren, dass sein Partner Volkwin Marg und er stets in einem Raum sitzen, des besseren Austauschs wegen. Die Büros von gmp sind meist in besonderen, oft historischen Gebäuden untergebracht und weisen eine gewisse räumliche Großzügigkeit auf. Das Zellenbüro wird man bei gmp vergebens suchen. Seine Erfahrungen aus zahlreichen internationalen Projekten zeigen, dass schlicht addierte Büroarbeitsplätze an langen Fluren weltweit ohnehin nicht mehr so gefragt sind: „Die Arbeitswelten öffnen sich, werden loftartig und großräumiger“.
Gute Stimmung dank Fototapete
Die Größe und die möglichen Konfigurationen von Büroarbeitsplätzen waren ein wichtiges und durchgängiges Thema in der Kongress-Sektion Office/Büro/Verwaltung. Alle Referenten berichteten von Diskussionen mit ihren Bauherrn über dieses Thema: Wie die Arbeitsplätze dann tatsächlich aussehen, hängt jedoch stark von der jeweiligen Branche ab. Mark Blaschitz von Splitterwerk aus Graz stellte das mit einem Contractworld-Award ausgezeichnete Projekt „Frogqueen“ vor, ein Forschungs- und Bürogebäude für eine Maschinenbaufirma. Der Auftraggeber wünschte sich eher überschaubare und abgeschlossene Büros für seine Ingenieure, damit sie sich auf ihre komplizierten Berechnungen konzentrieren können. Splitterwerk lieferten die gewünschten Klein-Büros, öffneten die räumliche Atmosphäre jedoch mittels die ganze Wandfläche bedeckenden Fototapeten. Die Motive sind österreichische Regionen – jedes Büro ist in eine andere Landschaft eingebettet. Die ungewöhnliche bildhafte Arbeitsumgebung kommt gut an: „In den Büros ist eine Stimmung wie in einem Wohnzimmer, die Ingenieure sind ganz entspannt“, berichtete Blaschitz.
Schule ohne Klassenzimmer
Ein Kontrastprogramm zu diesem introvertierten Gebäude stellen die Projekte des dänischen Architekturbüros 3XN dar, die Prinzipal Kim Herforth Nielsen präsentierte: Offene Grundrisse und Sichtbeziehungen zwischen verschiedenen Gebäudeebenen sind wichtige Gestaltungselemente. Ein Beispiel ist das Gymnasium in Ørestad , einem Stadtteil von Kopenhagen. Der Bau ist um ein großes Atrium mit Freitreppe organisiert und hat kein einziges abgeschlossenes Klassenzimmer. Mit diesem ungewöhnlichen Konzept wurde die Schule zu einer der beliebtesten in ganz Dänemark, wie Herforth Nielsen sagte.
Charme des Alten, Möglichkeiten des Neuen
Auch die beiden anderen in der Sektion Office geladenen Architekten, Inès Lamunière von Devanthéry & Lamunière aus Genf und Mels Crouwel von Benthem Crouwel aus Amsterdam stellten aktuelle Projekte aus dem Bereich Büro und Verwaltung vor. Benthem Crouwels Umnutzung eines historischen Lager- und Werkstattgebäudes im alten Rotterdamer Hafen zeichnet sich durch die gelungene Verwandlung der stabilen Betonarchitektur in offene, loftartige Büroetagen aus, ohne dass dabei der Charme des Alten verlorengegangen wäre. Inès Lamunière erläuterte die neue Zentrale für Phillip Morris, die ihr Büro in Lausanne gebaut hat. Der Bauherr hatte eigens ausführliche Umfragen unter seinen Mitarbeitern durchgeführt, um deren Vorlieben in Sachen Arbeitsplatzgestaltung herauszufinden. Das Ergebnis: Die meisten arbeiten jetzt in 20 Quadratmeter großen Einzel- und Doppelbüros mit großen Fenstern. Relativ lange Flure erschließen die neuen Räume – also ganz das Gegenteil von großräumigen Architekturbüros, Schulen ohne Wände und den angesagten Industrielofts.
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