Vorschau auf die imm cologne 2012
Zurück zur alten Stärke? Die Kölner Möbelmesse imm cologne, die vom 16. bis 22. Januar 2012 zusammen mit der Einrichtungsschau LivingInteriors stattfindet, ist zurzeit kaum wiederzuerkennen. Schon seit Wochen sind die wichtigen Hallen ausgebucht und selbst diejenigen Aussteller, die der Stadt vor Jahren den Rücken gekehrt haben, sind nun wieder mit dabei. Ihre Erwartungen richten die Hersteller vor allem an den deutschen Markt, der entgegen dem Europatrend weiter wächst.
Es gibt Entscheidungen, die werden mit dem Bauch gefällt. Andere dagegen mit dem Kopf. Der Grund, der viele Unternehmen und Besucher in der kommenden Woche nach Köln führen wird, hat etwas von beidem. Auf der einen Seite stehen die Zahlen, das rationale Argument. Auf der anderen Seite steht die Befürchtung, etwas zu verpassen oder gar vor manchem Konkurrenten den Kürzeren zu ziehen. Also womöglich nur heiße Luft?
Die Zahlen sind eindeutig: Nach wie vor ist Deutschland der größte Möbelmarkt in Europa. Konnten die Umsätze 2010 um zwei Prozent leicht zulegen, waren es 2011 sogar fast fünf Prozent, während die Zahlen im übrigen Europa deutlich in den Keller rutschten. Das Ergebnis: Deutschland ist plötzlich sexy. Nicht, weil es eine neue Figur hätte oder einen veränderten Haarschnitt, sondern auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten erstaunlich souverän dasteht.
Rückkehr der Ausreißer
Dabei ähnelt auch das Verhalten vieler Aussteller einer neu entflammten Beziehung. Vergessen sind die Jahre 2009 und 2010, als vor allem die italienischen Aussteller Köln den Laufpass gaben, um eine Affäre mit Paris zu beginnen, während selbst deutsche Hersteller wie Thonet lieber in Mailand als am Rhein ihre Neuheiten zeigten. Die meisten von ihnen sind diesmal wieder zurück, darunter Cappellini, Cassina, Poliform, Kartell, Porro oder Thonet. Und es kommen sogar jene, die bislang noch gar nichts in Köln gezeigt haben, wie Branchenprimus B&B Italia oder das angesagte Mailänder Label Skitsch. „Unsere Gespräche mit den Ausstellern und ihre Zufriedenheit mit der letztjährigen Marktperformance signalisieren, dass die zwischenzeitliche Zurückhaltung der Italiener damit wohl endgültig aufgegeben wurde“, erklärt Gerald Böse, Vorsitzender der Geschäftsführung der Koelnmesse, den Stimmungsumschwung, der bereits auf der imm cologne 2011 zu spüren war.
Neuheiten im Gepäck
Doch nicht nur die Fülle der Hallen, sondern ebenso die Wahrnehmung der Messe wird dynamischer werden. Denn viele der genannten Aussteller kommen nicht nur mit den Dingen im Gepäck, die letzten April in Mailand vorgestellt wurden, sondern setzen bewusst auf Neuheiten. Kristalia ist gleich mit fünf Neuheiten in Halle 11 vertreten, darunter der Tisch TNP von Christophe Pillet oder das flexible Schranksystem Blio von Neuland Industriedesign. Letztere haben für das junge deutsche Möbellabel Frei Frau den lederbezogenen Barhocker Kya entworfen, der mit seiner sattelartigen Gestalt auch im heimischen Wohnzimmer einen guten Sitz verspricht. Werden bei diesem noch einige Jahre vergehen, bis das Möbel die nötige Patina erhält, liefern andere Neuheiten diese gleich mit.
Dass ein Regal alles andere als schwer und wuchtig sein muss, zeigt Interlübke mit dem Regalsystem Bookless von Gino Carollo & René Chyba. Der Entwurf, der auch mit dem Interior Innovation Award 2012 ausgezeichnet wird, kombiniert gläserne Ablageflächen mit einer indirekten LED-Beleuchtung. Indem die Module in einem Abstand von sechs Zentimetern vor die Wand platziert wurden, erhalten die Möbel eine deutlich erkennbare Corona und scheinen tatsächlich in der Luft zu schweben. Wohltuende Erdung verspricht dagegen das Sofa Bahir, das der Schweizer Designer Jörg Boner für Cor entwarf. Ganz im Sinne orientalischer Sitzkissen kombiniert das Sofa rechtwinklige und diagonal versteppte Polsterflächen. Statt an einer aufrechten Lehne zu kleben, lässt es sich in dem geräumigen Sitzmöbel einfach versinken.
Klassiker der Designgeschichte
Der Trend zu Reeditionen gewinnt noch weiter an Fahrt als im vergangenen Jahr. So huldigt Cappellini dem jung gestorbenen Shiro Kuramata mit einer Wiederauflage seines schlanken Schubladenturms Dinah. Der Entwurf, der 1983 nur in wenigen Exemplaren produziert wurde, ist nun erstmals in Serie erhältlich. Auch Ligne Roset erweitert sein Programm von Pierre Paulin mit einem Sessel, den der Pariser Gestalter für Claude Pompidou, die Frau des früheren französischen Präsidenten, entwarf. Das Möbel wurde lediglich ein einziges Mal produziert und war als ein Geschenk für den Komponisten und Dirigenten Pierre Boulez bestimmt. Auch dieser Entwurf, der selbst unter Paulin-Kennern kaum Bekanntheit genießt, erlangt durch die Serienfertigung ein zweites Leben.
Das Vergangene neu zu interpretieren, gelingt Thonet mit seiner Serie Pure Materials. Die Freischwinger S32 und S64 von Marcel Breuer erhalten mit vernickeltem Stahlrohr, geöltem Holz und narbigen Leder eine Materialpalette, die mit der Zeit bewusst zu altern vermag und den industriellen Objekten eine individuelle Prägung gibt. Auch Cassina setzt auf die Kraft der Patina und bringt unter dem Stichwort Authentic Materials die Klassiker von Charlotte Perriand und Le Corbusier in Wallnuss, Mahagoni oder Eiche auf den Markt, während der Zig Zag Stuhl von Gerrit Rietveld um die De Stijl-Farben gelb, blau rot sowie schwarz und weiß ergänzt wird. Sehenswert ist diesmal auch der Stand von Artek, wo der gemütliche Lesesessel Domus (1946) von Ilmari Tapiovaara schon jetzt als aussichtsreicher Kandidat für die Wiederentdeckung des Jahres gilt.
Das Haus als Bühne
Als eine sinnvolle Entscheidung der Messeleitung entpuppt sich die Wiederbelebung des früheren Ideal House Projektes. In Anlehnung an die Visiona-Ausstellungen der sechziger und frühen siebziger Jahre, auf denen die Arbeiten Joe Colombos und Verner Pantons erstmals einem größeren Publikum präsentiert wurden, wurde jeweils zwei Designern die Gestaltung einer gesamten Wohnumgebung übertragen. Das Konzept, das nun unter dem Namen Das Haus firmiert, wurde nach vier Jahren Unterbrechung leicht modifiziert. Anstelle zweier Gestalter, die mit ihren Entwürfen miteinander in Konkurrenz treten, wurden allein die Londoner Designer Nipa Doshi und Jonathan Levien beauftragt, ihre Vorstellung eines idealen Zuhause zu formulieren.
Halb Designerporträt, halb Wohnbühne, sollen die Möbel und Einrichtungsgegenstände nicht losgelöst von der Architektur betrachtet werden, sondern unmittelbar mit ihr verwoben. Das Gestalterpaar, das für seinen Umgang mit Farbe und ethnischen Motiven bekannt ist, bezieht ebenso die Wände, den Garten, Wasserflächen bis hin zu Mulitmediaanwendungen in ihre Arbeit mit ein. „Wenn Sie Ihr Haus durch eine versteckte kleine Gasse erreichen, können Sie es von außen auch nicht als Ganzes erkennen. Sie werden es erst dann wahrnehmen, wenn Sie es betreten“, erklärt Nipa Doshi die Annäherung zu ihrer Architektur, in der „verschiedene Lieblingsplätze aufeinander treffen und miteinander verwoben werden“.
Holistisches Messeformat
Eine ganzheitliche Betrachtung von Gestaltung verspricht das neue Messeformat LivingInteriors, das künftig im Wechsel zur Küchenmesse LivingKitchen stattfinden soll. Gezeigt werden hier Produkte aus den Bereichen Bad, Wand, Boden und Licht, die den Möbelschwerpunkt der Messe bewusst erweitern. Auch im Pure Village in Halle 3.2 steht die Überschneidung unterschiedlicher Branchen im Mittelpunkt. Anstelle konventioneller Messestände wird eine offene, galerienartige Struktur inszeniert, die sich wie eine miniaturisierte Stadt um eine zentrale Piazza gruppiert. Vor Ort sind Unternehmen wie Kaldewei, Interstuhl, Grohe oder Thonet. Interstuhl wird hier unter anderem seinen Bürodrehstuhl Volume 8 vorstellen, der dem Trend des Arbeitens in einem wohnlicheren Umfeld aufgreift und auch zur Möblierung des Home Office geeignet ist.
Unter dem Namen Swissness zeigen ebenfalls in Halle 3.2 sechs Schweizer Hersteller, darunter Baltensweiler, Création Baumann, Lehni, Röthlisberger Kollektion, Thut Möbel und Wogg auf einem 240 Quadratmeter großen Gemeinschaftstabd ihre Produkte, der von Jörg Boner und Christophe Marchand entworfen wurde. Ergänzt wird die Schau um die Jungdesigner-Plattform D3 Talents im Untergeschoss der Halle, wo die Arbeiten von Studenten und Designhochschulen neben jungen Professionellen zu sehen sind. Für den vom Rat für Formgebung organisierten D3 Contest wurden aus 689 Bewerbungen 28 Produkte ausgewählt, die in einer gesonderten Schau präsentiert werden.
Unsere Partner auf der imm cologne / LivingInteriors 2012
Axor / Hansgrohe – Halle 11.3 Q020 R021
Cor – Halle 11.3 Stand S020-T011
Création Baumann – Halle 03.2 Stand D024
Girsberger – Halle 11.1 Stand F021-E020
Interstuhl – Halle 3.2 Stand E021-E025
Interlübke – Halle 11.3 Stand S020-T021
Ligne Roset – Halle 11.3 Stand O023-P021
Mehr zur imm cologne 2012 erfahren Sie in unserem Special.
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