United Colours – Hella und Rem in New York
Generalüberholung nach 60 Jahren: Lounge der Vereinten Nationen.

Partner: Vitra
Harte Stühle führen zu harten Positionen, Kompromisse werden auf weichen Polstern gefunden. Zu diesem Ergebnis sind Psychologen in Harvard und Yale gekommen, als sie taktiles Erleben im Zusammenhang mit dem Sozialverhalten untersuchten. Jetzt hat einer der wichtigsten internationalen Entscheidungsräume ein Redesign durchlaufen. Auf Initiative des niederländischen Außenministeriums verwandelten unter anderem Hella Jongerius und Rem Koolhaas die Delegates’ Lounge im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York von einer müden braunen Halle in eine von Erd-, Wasser- und Waldtönen bestimmte Landschaft. Wenn Harvard mit seinen Studien Recht hat, können hier Diskussionen ab sofort neue Töne anschlagen.
Zum ersten Mal ließen sich die Staats- und Regierungschefs 1952, sechs Jahre nach Gründung der UN, in die Ledersessel der North Delegates’ Lounge sinken. Die Ausstattung war auf der Höhe der Zeit: modern, klar und kultiviert, so wie es sich für einen informellen Denkerclub dieses Formats gehört. Architekten wie Le Corbusier und Oscar Niemeyer entwarfen den Komplex, führende Gestalter der Epoche wie Hans Wegner, Peter Hvidt und Jacob Kjaer steuerten Möbel bei. Doch knapp sechs Jahrzehnte Nutzung haben den Glanz getrübt. Immer wieder wurden kleine Anpassungen und große Veränderungen vorgenommen, am Ende war nicht mehr viel übrig von der alten Geschichte – es war an der Zeit, eine neue zu schreiben.
Drei Farben Braun
Die Verantwortung für das Make Over des gesamten UN-Headquarters wurde an einzelne Länder übertragen. Dänemark verpflichtete sich für den Ratssaal, Russland übernahm den Weltsicherheitsrat, die Türkei die Botschafter-Lounge und die Niederlande die Delegierten-Lounge. Die Zuständigkeit umfasste die Berufung eines nationalen Designteams und die Finanzierung. Unter der Führung von Hella Jongerius arbeiteten in der niederländischen Mannschaft Architekt Rem Koolhaas, Typografin Irma Boom, Künstler Gabriel Lester und Louise Schouwenberg an dem neuen Gestaltungskonzept. Die Einrichtung wurde – auch als Würdigung der Geschichte des Raumes – nicht radikal ausgetauscht. Einige „Überlebende“ wie Knoll Club Chairs und Original Peacock Chairs von Hans Wegner aus dem Jahr 1952 wurden in das neue Konzept integriert. „Unsere Intervention in die Lounge, die ja schon mehrere Male verändert wurde, würde ich als Bewahrung des Wandels beschreiben“, fasst Koolhaas den Ansatz des interdisziplinären Teams zusammen.
Das stärkste Element des hohen und langen Raumes ist die gewaltige Fensterfront, die sich über eine komplette Seite erstreckt und den Blick zum East River öffnet. „Der Raum hat diesen strengen Rhythmus aus horizontalen und senkrechten Linien“, sagt Hella Jongerius. „Das wollte ich abmildern.“ Sie bespannte die Fenster auf der gesamten Länge mit einem Vorhang aus Perlenschnüren, die von Hand zu einem zusammenhängenden Netz verknüpft wurden. Jongerius, die für ihre Kollektionen immer wieder eng mit Handwerkern zusammenarbeitet, ließ die großen insgesamt 30.000 Porzellanperlen aus niederländischem Ton fertigen. Das gibt dem Raum eine gewisse Privatheit; eine darüber hinaus gehende Abschirmung oder sogar raumtrennende Elemente erlauben die strengen Sicherheitsrichtlinien nicht: Beim Betreten des Raumes muss jeder Winkel einsehbar sein.
Auch Arbeitsplätze und einen neuen Stuhl hat Hella Jongerius deshalb speziell für die UN-Lounge entworfen. Produziert wurden beide Möbel von Vitra, den Arbeitstisch Sphere Table hatte das Unternehmen schon 2012 vorgestellt – als ersten aus der Möbelreihe für die UN. Das Besondere an dem kleinen Arbeitstisch ist die semitransparente Halbkugel, die sich frei an der rechten oder linken Seite anbringen lässt und akustischen und visuellen Schutz bietet, ohne die Sicherheitsvorschriften zu verletzen. Auch das Farbkonzept verantwortete Hella Jongerius, dabei verabschiedete sie sich nicht vollständig von der Palette der alten Tage. Die allerdings wurde ordentlich aufgefrischt. Während Teppichboden und Vorhang sich in Braun-Orange und Weiß zurückhalten, setzen sowohl die großformatigen Wandteppiche als auch die Möbel farbige Akzente. Die von Vitra produzierten Polder-Sofas bringen grüne und blaue Nuancen, der neue Stuhl UN Lounge Chair greift das Farbspektrum auf und wird durch die braunen Armlehnen ein verbindendes Element zum Boden. Das Ergebnis ist sowohl von Komfort bestimmt als auch von professioneller Ungezwungenheit. Und bringt damit niederländischen Geist nach New York. So fasste es Generalsekretär Ban Ki-moon in seiner Eröffnungsrede vergangene Woche zusammen: „Ich bin besonders erfreut darüber, dass dieser Raum die niederländische Tradition widerspiegelt. Den Haag ist der Sitz des internationalen Gerichtshofes, viele von uns reisen oft dorthin. Deswegen ist es schön, ein Stück der Niederlande hier zu haben.“
Rem Koolhaas
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