Wohnen im Wandel
2000-2020: Best-of Residential Interior Design

Vom neuen Umgang mit Licht bis zum Wiederaufleben der Postmoderne: In unserem Rückblick stellen wir wegweisende Wohnprojekte der letzten 20 Jahre vor. Sie zeigen auf, welche Entwicklungen sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten im Design ergeben haben und wie sich der Umgang mit Materialien und Licht verändert hat.
Pawson House von John Pawson, London (1999)
Den Umgang mit Licht und Raum hinterfragte Architekt John Pawson bei dem Umbau eines typischen, schmalen Reihenhauses in London. Da die vordere Stuckfassade erhalten bleiben musste, öffnete er die Rückseite des Baus zum kleinen Garten hin. Eine Glaswand und die schier endlos wirkende Küchenarbeitsplatte an der Wand erzeugen den Eindruck, als setze sich das Geschoss nach außen hin fort. Das indirekte künstliche Licht schafft im Erdgeschoss eine angenehm warme Atmosphäre. Eine schmale Treppe führt in den ersten Stock. Von dort gelangt man durch eine vergrößerte Öffnung auf die Terrasse.
Naked House von Shigeru Ban, Kawagoe, Japan (2000)
Entfernt erinnert das Gebäude des Pritzker-Preis-Trägers von 2014, Shigeru Ban, mit seinen milchig-transparenten Wänden an ein Gewächshaus. Der Innenraum ist bewusst offen gehalten, damit die fünf Bewohner aus drei Generationen möglichst viel Raum für Interaktionen haben – eine Idealvorstellung Bans für das Wohnen der Gegenwart. Mit mobilen Kuben und Vorhängen lassen sich private Räume abgrenzen.
R128 von Werner Sobek, Stuttgart (2000)
Als energetisch komplett autarkes und im Betrieb vollkommen emissionsfreies Wohnhaus ist R128 heute noch ein vorbildliches Beispiel für nachhaltiges Bauen. Das an einen Hang gebaute, viergeschossige Wohnhaus ist komplett verglast. Die Idee der Transparenz setzt sich auch im Inneren fort: Auf der obersten Ebene befinden sich der Eingang, Küche und Essbereich. Nach unten schließen sich Wohn-, Schlafebene und Kinderzimmer an. Aufgrund seiner Modulbauweise ist das Haus komplett recycelbar.
Loft Gleimstraße von GRAFT Architekten, Berlin (2005)
Als eine Art privaten Showroom für smartes Wohnen bauten GRAFT Architekten ein Loft über den Dächern Berlins aus. Das Interior dachten sie bei ihrem Entwurf gleich mit. Gepolsterte Sitzkojen sind in dem fließenden Wohn- und Küchenbereich in die Wände eingelassen. Bad und Schlafzimmer wurden zu einer weiteren Einheit und sind nur durch die Badewanne getrennt. Mit raumhohen Schiebetüren lassen sich einzelne Bereiche abtrennen.
Dupli.Casa von J. MAYER H., Marbach (2008)
Die ikonische Form des Einfamilienhauses ist eine Referenz an den mehrfach umgebauten Vorgängerbau von 1984, der für die Dupli.Casa abgerissen wurde. Das Büro von Jürgen Mayer H. duplizierte den Umriss konzeptionell, verdrehte ihn und hob ihn vertikal an. Geschwungene Ausschnitte in der Gebäudehülle stellen einen Bezug zwischen innen und außen her und ermöglichen den Blick über den Neckar nach Marbach. Der Innenraum im Erdgeschoss ist geprägt durch einen großzügigen öffentlichen Bereich. Sein Mittelpunkt befindet sich in einer zweigeschossigen Lobby. Das an den Hang gebaute Untergeschoss hat einen rundum verglasten Pool.
Wohnhaus von Patricia Urquiola & Martino Berghinz, Udine, Italien (2010)
Bei dem Umbau eines Hauses in der italienischen Region Udine für Art-Direktorin Patrizia Moroso legten Patricia Urquiola und Martino Berghinz den Fokus auf den Wohnbereich. Er zeichnet sich durch eine gekonnte Verbindung von Kunst, haptischen Materialien und Mustern aus. Öffentliche und private Bereiche gehen fließend ineinander über, Leben und Arbeiten gehen Hand in Hand. Eingerichtet ist das Haus zum Teil mit architektonisch wirkenden Prototypen aus dem Sortiment von Moroso.
Hinterhaus-Wohnung von Thomas Kröger, Berlin (2012)
Für einen Musikmanager und eine Trapezkünstlerin baute Thomas Kröger eine ehemalige Pension im Hinterhaus eines typischen Berliner Altbaus zu einer Wohnung mit großem Fitnessraum um. Raumhohe Einbauten nutzen die hohen Wände als Stauraum. Jedes Zimmer, ja jede Nutzungseinheit, ist durch eine andere Farbe gekennzeichnet. Besonders auffällig: die roten Schranktüren mit dem Wellenmuster im Flur zum Schlafzimmer. Sie spielen auf die Architektur der brasilianischen Architekten Lúcio Costa und Oscar Niemeyer und damit auf die Herkunft der Bauherrin an.
Spreefeld Berlin von carpaneto architekten & fatkoehl architekten & BARarchitekten, Berlin (2014)
Ein Zwischending zwischen Wohngemeinschaft und Einzelwohnen stellen Clusterwohnungen dar. Die Bewohner leben in Mini-Apartments mit eigenem Bad und kleiner Teeküche, teilen sich mit ihren Nachbarn aber Gemeinschaftsräume wie eine große Küche. Im Gegensatz zu kommerziellen Projekten in London oder New York ist das Wohnprojekt Spreefeld in Berlin-Mitte genossenschaftlich organisiert. Neben Clusterapartments gibt es aber auch konventionelle Mietwohnungen, Gewerberäume, einen gemeinsam genutzten Garten, eine Holzwerkstatt und eine Turnhalle.
Antivilla von Brandlhuber+ Emde Burlon, Krampnitz bei Potsdam (2015)
Der grau geschlämmte DDR-Putz der ehemaligen Textilfabrik bietet allen Assoziationen die Stirn, die einem bei den Worten „Villa“ und „Potsdam“ kommen könnten. Stattdessen wirft die Antivilla von Arno Brandlhuber Fragen auf wie: Wieviel Raum brauchen wir wirklich? Was ist nachhaltig? Wie gehen wir mit Bestand um? Dem Architekten, der den brutalistischen Bau als Wochenendhaus nutzt, stehen im Inneren rund 500 Quadratmeter zur Verfügung. Auf Zeit leben und arbeiten auch befreundete Künstler in Krampnitz. Die Räume sind überwiegend offen und durch Vorhänge unterteilt. Eine zentrale Sauna liefert einen Teil der benötigten Wärme.
Esters Apartment 2.0 von Ester Bruzkus, Berlin (2017)
Ein Zusammenspiel aus Minimalismus und Opulenz, architektonischer Strenge und Hippieromantik ist das 80-Quadratmeter-Apartment von Architektin Ester Bruzkus. Im sechsten Stock eines Neubaus im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg gestaltete sie eine Wohnung, in der sie sich ausprobieren und zugleich wohlfühlen kann. Industrielle Betondecken treffen auf pastellfarbene Oberflächen. Einige Möbel wie ihren ans Memphis-Design angelehnten Esstisch oder das üppige Samtsofa sind eigene Entwürfe.
Apartment X von KC Design Studio, Taipeh (2019)
Weil Wohnraum in vielen Städten immer teurer wird, sind raumsparende Lösungen für Mini-Apartments gefragt. Eine 46-Quadratmeter-Wohnung in Taipeh richtete KC Studio mit passgenauen Einbauten ein, die verschiedene Nutzungen ermöglichen. So lässt sich beispielsweise ein Teil der Küchenarbeitsplatte zu einem Esstisch ausdrehen. Eine Zwischenebene dient als Schlafbereich. Industrielle Materialien wie Beton und schwarzer Stahl kombinierten die Architekten mit Schiefer und Eichenholz. Trotz ihrer geringen Größe hat die Wohnung Loft-Charakter, wirkt offen und einladend.
Nagatacho von Adam Nathaniel Furman, Tokio (2020)
Für die Rückkehr der Postmoderne in der Innenarchitektur steht die Familienwohnung von Adam Nathaniel Furman in Tokio. Ein breites Spektrum an Pastell- und Blockfarben hebt Möbel und Einbauten hervor, macht die sonst übersehene Fußleiste zum Akzent zwischen Tapete und Teppich oder strukturiert den Raum durch geometrische Anstriche vom Streifen-Look bis zum Kreisornament. Das konsequent durchdeklinierte Designthema macht das Apartment zu einer Herausforderung für die Sinne, zugleich aber auch zu einer Ode an Poesie und Phantasie.
Dieser Beitrag ist Teil des Dossiers: 2000-2020: 20 Jahre Interior & Design
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John Pawson
www.johnpawson.comShigeru Ban
www.shigerubanarchitects.comWerner Sobeck
www.wernersobek.deGRAFT Architekten
www.graftlab.comJ. MAYER H.
www.jmayerh.dePatricia Urquiola
www.patriciaurquiola.comMartino Berghinz
www.martinoberghinz.euThomas Kröger
www.thomaskroeger.netCarpaneto Schöningh Architekten
www.carpanetoschoeningh.deArno Brandlhuber
www.brandlhuber.comEster Bruzkus
www.esterbruzkus.comKC Studio
www.kcstudio.com.twAdam Nathaniel Furman
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