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Wohnratgeber 20: Licht im Freien

Von illuminierten Bäumen zu effektvoll inszenierten Häuserwänden

von Norman Kietzmann, 13.05.2020

Es müssen nicht nur Kerzen sein! Elektrisches Licht spielt im Außenraum eine immer wichtigere Rolle. Das Spektrum reicht von illuminierten Beeten, Rasenflächen und Bäumen bis hin zur effektvollen Inszenierungen von Häuserwänden. Auch mobile Lichtlösungen gewinnen weiter an Boden.

Garten und Terrasse werden längst als eine vollständige Erweiterung des Wohnraums angesehen. Besonders deutlich wird dies bei Sofas und Sesseln, die mit bloßem Auge von ihren Innenraumverwandten kaum mehr zu unterscheiden sind. Es zeigt sich aber auch in der Beleuchtung, die den rustikalen Charme schummriger Öllaternen und Kerzen längst hinter sich gelassen hat. Der Außenraum wird in den Abend- und Nachtstunden stimmungsvoll illuminiert: zum gemeinsamen Essen, Kochen, Grillen, Entspannen, Wein trinken, Zusammensein. Der Auszug des Lichts bringt die Domestizierung der Natur auf den Punkt. Lediglich in der Frage des Wie gehen die Strategien der Hersteller und Designer auseinander. 

Inside-Out-Prinzip
Auf der einen Seite steht der direkte Transfer von Innen nach Außen. Warum eine Form verändern, die ohnehin eine universale, zeitlose Sprache spricht? Flos hat die erfolgreiche Leuchten-Serie IC von Michael Anastassiades um outdoortaugliche Ausführungen erweitert. Das Verblüffende dabei: Die neuen Steh- und Wandleuchten fügen sich mit ihren kugel- oder kegelförmigen Schirmen so selbstverständlich in den Garten ein, als wären sie eigens für diesen Anlass gestaltet worden. Ergo: Die Natur verlangt nicht zwangsweise nach organischen Formen. Klare, geometrische Körper sorgen mitunter für eine weitaus kraftvollere Mischung. 

Subtile Ironie darf an dieser Stelle nicht fehlen. Etwa, wenn der französische Hersteller DCW éditions die in den Zwanzigerjahren von Bernard-Albin Gras entworfene Arbeitsleuchte Lampe Gras in einer witterungsbeständigen Farblackierung und mit großem Stehfuß für den Boden auflegt. Aufgrund ihres industriellen Charakters wird sie eindeutig als Fremdkörper im Außenraum wahrgenommen. Und doch wirkt sie keineswegs fehl am Platz. Ein überraschender Gast, der gerade wegen seiner Andersartigkeit willkommen ist.

Baum trifft Leuchte
Auch im Außenraum ist eine Leuchte niemals allein. Bäume und Pflanzen können als Halterungen oder Reflektoren zum Einsatz kommen und so das Lichtobjekt in seine Umgebung einbetten. Eine spielerische Facette offenbart die Pendelleuchte Ciulifruli von Martinelli Luce (Design: Alfonso Femia und Emiliana Martinelli). Der weiße Kunststoffschirm geht in bunte Fassungen über, die wiederum in ein orangenes Kabel münden. Dessen Länge ist derart üppig bemessen, dass die Leuchte über die Äste von Bäumen geschlungen werden kann. Kindergeburtstag lässt grüßen. Einen Ausflug in die Süßwarenabteilung unternimmt der dänische Hersteller Bolia mit der Donut Lamp von Michael H. Nielsen. Ihr ringförmiger Kunststoff-Körper wird vollständig von innen heraus zum Leuchten gebracht. Über eine Kordel kann die Hängeleuchte an Pflanzen, Sonnenschirmen oder Dachvorsprüngen befestigt werden und jederzeit ihren Ort verändern. 

Akzentuierung des Bodens
Einen Klassiker der Außenbeleuchtung hat Le Corbusier 1952 mit Borne Béton entworfen, um die Wege rund um die Unité d’Habitation in Marseilles ins rechte Licht zu rücken. Die von Nemo produzierte Bodenleuchte nimmt sich in ihrer Formensprache zurück. Sie setzt einen klaren Gegenpol zu den chaotisch verschlungenen Blättern und Blüten der Natur. Auf formelle Klarheit setzt ebenso die schlanke Leuchtenserie Belvedere von Flos (Design: Antonio Citterio und Toan Nguyen). Die konisch geformten Leuchtkegel der Poller- und Wandleuchten können über Drehgelenke passgenau ausgerichtet werden. 

Wie eine fliegende Untertasse mutet die Stehleuchte Amanita von Oluce (Design: Mariana Pellegrino Soto) an, deren runder Leuchtschirm aus Metall von einem filigranen, schräg gestellten Fuß über den Rasen oder das Beet gehoben wird. Auf geometrische Abstraktion setzt der chilenische Architekt Alejandro Aravena mit der ringförmigen Bodenleuchte O von Artemide. „Unsere Strategie ist zweigeteilt: Zum einen geht es darum, eine Leuchte zu entwerfen, die bei Nichtgebrauch möglichst unbemerkt bleibt: Licht ohne Leuchte. Zum anderen soll sie verschiedene Arten von Sensoren nutzen, sodass das Licht nur dann erscheint, wenn es gebraucht wird: Licht on demand“, erklärt der Kurator der 2016er Architekturbiennale in Venedig.

Illuminierung der Wand 
Auch im Garten und auf der Terrasse sind gemauerte Wände anzutreffen. Mit Aufputz- und Unterputz-montierten Leuchten werden sie in stimmungsvolle Reflektoren verwandelt. Die Beleuchtung kann sich daher mit kompakten Dimensionen und puristischen Formen zurücknehmen. Die Leuchte Sito Verticale von Occhio folgt der Kugelform. Innenliegende Linsen sorgen dafür, dass zwei breite Lichtkegel nach außen geworfen werden, die die Oberflächenstruktur der Wand herausarbeiten. Piero Lissoni setzt mit seiner Leuchtenfamilie Climber für Flos auf eine flache Rechteckform, die in einer breiten Auswahl an Farben eine Adaption an die jeweilige Wandbeschaffenheit erlaubt. Die Leuchte Origami von Vibia (Design: Ramón Esteve) verfügt über einen quadratischen Metallschirm, der vierfach gefaltet wurde. Indem mehrere Module miteinander kombiniert werden, entsteht ein spannungsvolles Lichtrelief an der Wand. 

Bewegliches Licht
Mit dem Siegeszug der stromsparenden LEDs ist die Beleuchtung mobil geworden. Die Ladeleistung gewöhnlicher Akkus reicht völlig aus, um eine kompakte Leuchte nach Sonnenuntergang bis tief in die Nacht hinein zu nutzen. Der Vorteil dieser kabellosen Lichtlösungen: Sie können frei auf dem Balkon, der Terrasse oder im Garten platziert werden, ohne die lästigen Wachsspuren von Kerzen oder die unangenehmen Gerüche von Petroliumlampen zu hinterlassen. Aus gestalterischer Sicht stellt sich die Frage: Griff oder kein Griff? In die erste Kategorie gehört die Leuchte Giravolta von Pedrali (Design: Albero Basaglia und Natalia Rota Nodari), deren runder Leuchtkörper unterhalb eines halbkreisförmigen Griffs frei rotieren kann. 

Auf den Spuren des Bauhauses wandelt die Kugelleuchte Phare, die der Warschauer Designer Stanisław Czarnocki für Menu gestaltet hat. Diese verfügt über einen Akku, der in einem zylinderförmigen Sockel versteckt ist. Damit kann das bewegliche Lichtobjekt auf verschiedenen Untergründen platziert und sogar an Mauern angehakt werden. Die vom New Yorker Designer Adam Tihany entworfene Leuchte Space von Kartell verzichtet auf einen Griff. Dafür erinnert ihre Form an den berühmten Aussichtsturm in Seattle, genannt „Space Needle“. Im schlanken Fuß verbirgt sich ein integrierter Akku, damit die Leuchte ohne störende Kabel frei auf dem Garten- oder Terrassentisch platziert werden kann. Ganz wichtig hierbei: Die Mobilität einer Leuchte ist nicht gleichzusetzen mit ihrer Wetterresistenz. Über Nacht oder bei Ankunft einer Regenfront die Leuchten unbedingt ins Trockene retten!

Kraft der Sonne
Warum extra Stromanschlüsse ins Freie legen oder Akkus über die Steckdose aufladen, wenn dies allein per Sonnenkraft geschehen kann? Auch die Leistungsfähigkeit von Solarzellen hat in den letzten Jahren einen entscheidenden Sprung gemacht, sodass bereits kompakte Flächen ausreichen, um die Außenbeleuchtung für einen sechs- bis siebenstündigen Betrieb aufzuladen. Auch hier ist zwischen zwei Typologien zu unterscheiden. Auf der einen Seite stehen bewegliche Leuchten, die Solarzellen in ihre obere Abdeckung integriert haben, wie die PC Portable von Hay (Design: Pierre Charpin), Paseo von Ligne Roset (Inhouse Design) oder Ambient Line von Gloster (Design: Sebastian Herkner). 

Die zweite Kategorie umfasst fest installierte Außenspots oder Lichterketten, die von verschiedenen Anbietern von Gartenzubehör produziert werden. Hier sind die Solarzellen oft von den Spots über schmale Kabel getrennt, was auf den ersten Blick chaotisch anmutet. Doch dafür können die Lichtquellen inmitten von Pflanzenschalen platziert werden, während das Sonnenpaneel an einer möglichst unsichtbaren Position montiert wird. Der Vorteil ist zweierlei: Garten und Terrasse können auch ohne direkten Anschluss an das Stromnetz illuminiert werden. Zugleich entfällt das Aufladen sowie Rein- und Raustragen von mobilen Lichtquellen. Der Außenraum beginnt mit der Dämmerung zu leuchten. Ganz ohne menschliches Zutun – einfach von selbst. 

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