Vorschau auf den Salone del Mobile 2013
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Auf die Plätze, fertig, los: Vom 09. bis 14. April öffnet die 52. Mailänder Möbelmesse ihre Türen – ergänzt von der Lichtmesse Euroluce, der Büromöbelschau SaloneUfficio sowie der Nachwuchsplattform SaloneSatellite. Die Möbelhersteller üben sich weniger darin, das Wohnen neu zu erfinden, sondern halten vielmehr nach neuen Märkten Ausschau. Während eine ganze Armada von Architektenmöbel den Weg in Richtung Contract ebnen soll, drängen andere Produkte auf das Terrain der Mode.
Es ist ungewöhnlich frisch in diesen Tagen in Mailand. Die Kältewelle, die noch immer weite Teile Europas im Griff hat, ist auch an Norditalien nicht spurlos vorübergegangen. Gewiss, in der kommenden Woche sind zugefrorene Bürgersteige kaum zu erwarten. Doch anstatt die Cocktailrunden in leichter Garderobe zu absolvieren, sollte bei nächtlichen Temperaturen um die sechs bis sieben Grad ein warmer Mantel nicht vergessen werden. Von ihren Vorgängern wird sich diese Möbelmesse allerdings nicht nur aus meteorologischer Perspektive unterscheiden.
Galt Mailand bislang in erster Linie als Ort, an dem Ideen gezeigt, Kontakte geknüpft und weitere Projekte ins Rollen gebracht werden konnten, steht heute Effizienz an vorderster Stelle. Nicht nur bei den zahlreichen Veranstaltungen wird der Rotstift angesetzt, sondern ebenso bei der Entwicklung neuer Produkte. An neuen Möbeln wird es zwar nicht mangeln. Doch die Unternehmen werden den internationalen Gästen ein deutlich übersichtlicheres Menü servieren, während die mediterrane Gelassenheit womöglich einem etwas vorsichtigeren und zurückhaltendem Auftreten weichen wird.
Verschiebung der Prioritäten
Wie schon in den vergangenen beiden Jahren konnte das Gewicht der Messe gegenüber den Showrooms zulegen. Prominentes Beispiel: Die mächtige Poltrona-Frau-Gruppe, die ihre Marken Cassina, Cappellini und Poltrona Frau zuletzt in den weitläufigen Räumen der Fondazione Pomodoro inszenierte, verlegt ihre gesamte Neuheitenpräsentation zurück auf das Messegelände in Rho. Und auch viele kleinere Marken, die bislang nur in der Stadt vertreten waren, haben sich einen Auftritt in den Messehallen gesichert, die sich zunehmend vom Schauplatz zum Marktplatz verwandeln. Die frühere Regel, wonach das Interessante in der Stadt und das Konventionelle auf der Messe zu finden war, gilt nicht mehr. Die Messe kommt heute zuerst. Erst dann lohnt der Blick in die Showrooms und Ausstellungen im Stadtgebiet.
Ergänzt wird der Salone del Mobile von der Nachwuchsschau SaloneSatellite, der 27. Ausgabe der Lichtmesse Euroluce sowie der 16. Ausgabe der Büroschau SaloneUffici, mit denen Mailand in den ungeraden Jahren der Light & Building sowie der Orgatec Konkurrenz macht. Fristete der SaloneUffici bislang ein eher bescheidenes Dasein auf dem Messegelände, soll sich das nun ändern. In einer 1200 Quadratmeter großen Inszenierung von Jean Nouvel wird das Büro als Lebensraum in den Fokus gerückt und mit der Wohnkompetenz der Messe verbunden. Damit das Ganze nicht im Müßiggang endet, werden in begleitenden Workshops Tipps zu „Organisation, Managementkosten und Produktivität“ gegeben.
Architektur und Mode
Dass der Contract-Bereich im Gegensatz zur krisengeschüttelten Wohnmöbelbranche als sichere Bank gilt, beeinflusst ebenso die Auswahl der Gestalter. So zeigt Tadao Ando seinen Dream Chair für Carl Hansen & Søn, Daniel Libeskind präsentiert Türklinken für Olivari, und Zaha Hadid ist gleich mit zehn verschiedenen Produkten und Ausstellungen vertreten, darunter die Sitzbank Kuki für Sawaya & Moroni sowie die quietschgrüne Sitzlandschaft Zephyr für Cassina. Doriana und Massimilano Fuksas haben die Spiegel Rosy und Lucy für Fiam gestaltet, während John Pawson ein Steakmesser für den belgischen Hersteller When objects works entwarf. Mitunter wirkt die Möbelmesse wie ein Ableger der Architekturbiennale von Venedig, erhoffen sich die Hersteller so Zugang zu lukrativen Großprojekten.
Auch Rem Koolhaas darf in dieser Runde nicht fehlen: Zum 75. Geburtstag von Knoll International stellt er seine erste Möbelkollektion vor. Eine Vorschau auf seine Plexiglas-Sessel wurde bereits Mitte Januar gegeben – als Requisiten der Herrenmodenschau von Prada. Während Koolhaas mit seinem Schwesterbüro AMO bereits seit Jahren die Inszenierung sämtlicher Prada-Events übernimmt, konnten nun auch andere Gestalter der Sogkraft der Mode nicht widerstehen. Jean Nouvel präsentiert in Mailand seine erste Schuhkollektion für den spanischen Hersteller Ruco Line. Tom Dixon stellt in der Ausstellung MOST im Mailänder Technikmuseum eine Kooperation mit Adidas vor, die Taschen, Schuhe und Kleidung umfasst. Alessi – bislang im Acessoire-Bereich mit einer umfangreichen Uhrenkollektion vertreten – debütiert im Showroom an der Via Manzoni mit der ersten Sonnenbrillenkollektion des belgischen Designers Frédéric Gooris. Und Karl Lagerfeld fotografierte unterdessen die Klassiker von Cassina neu.
Möbel in der Defensive
Im Rahmenprogramm des Fuori Salone gehören Möbel nicht zur Ausnahme. Aber es wird nicht einfach sein, ihnen immer auf die Schliche zu kommen. Neben den Modemarken suchen auch Technologieanbieter wie Toshiba, Panasonic oder Samsung Anschluss ans Designgeschehen, während sich die Brauerei Heineken mit der Nachwuchsschau Designersblock verbündet hat und ein Großevent unweit der Station Porta Genova bespielt. Auch die Automobilhersteller sind omnipräsent und kombinieren mit Vorliebe nachhaltige Fahrzeugkonzepte mit smarter Designprominenz. So präsentiert Ross Lovegrove in der Triennale ein Konzept-Solarfahrzeug für Renault, während Ronan und Erwan Bouroullec mit ihrer Installation Quiet Motion die Elektrofahrzeuge von BMWi unter die Lupe nehmen.
Dass Autohersteller mit eigenen Möbelkollektionen in Mailand aufwarten, haben Aston Martin, Lamborghini und Mercedes Benz in den vergangenen Jahren mit testosteronverliebten Sesseln und Sofas vorgelebt. Wurden diese Möbel von relativ unbekannten Herstellern in Lizenz entwickelt und vertrieben, ist diesmal eine der alteingesessenen und prestigeträchtigen Mailänder Möbelmarken auf den Zug mit aufgesprungen. Im Showroom an der Piazza Tricolore stellt Zanotta einen von Roberto und Ludovica Palomba entworfenen Loungechair in Kooperation mit Maserati vor, bei dem der Rausch der Geschwindigkeit selbstredend Programm ist.
Reeditionen vs. Nachwuchs
Auch Reeditionen werden wieder einen Schwerpunkt dieser Messe bilden. Aus der großen Gino-Sarfatti-Ausstellung in der Mailänder Triennale, für die der Leuchtenhersteller Flos sein Archiv geöffnet hatte, entstand eine eigene Kollektion. Im Showroom am Corso Monforte wird die Reedition einiger Leuchtenmodelle vorgestellt, von denen fast alle Leuchtendesigner des 20. Jahrhunderts hemmungslos kopiert haben. Etwas abseits der prominenten Namen legt Arper den Bowl Chair (1951) der brasilianischen Designern Lina Bo Bardi neu auf, die diesen Jahr 100 Jahre alt geworden wäre. Eine Reedition der skurrilen Art hat das belgische Möbellabel Quinze & Milan im Gepäck. 26 Jahre nach Warhols Tod werden seine Brillo Boxen – unter Lizenz der Andy Warhol Foundation – als Schaumstoff-Hocker wiederbelebt.
Wer Anschluss an die Gegenwart sucht, sollte folgende Schauen nicht verpassen: In der Via Palermo bespielt das Londoner Nachwuchsformat Designjunction mit La Pelota einen der größten Veranstaltungsorte der Stadt. Nicht weit davon entfernt zeigen 30 Jungdesigner ihre Arbeiten in der Schau Meet My Project in der Via Moscova. Neues französisches Design ist in der zweiten Ausgabe der Ausstellung Nouvelle Vague im Instituto Francese am Corso Magenta zu finden. Das 2012 gegründete Möbellabel Discipline zeigt seine zweite Kollektion mit einer Installation von Arabeschi di Latte in der Via Pietro Mascagni. Deutlich mehr Raum okkupiert Marcel Wanders Möbellabel Moooi in der Via Savona 56, wo neue Arbeiten von Maarten Baas, Studio Job, Bertjan Pot und anderen Designern zu sehen sind.
Hommage an die Alten Meister
Bereits an diesem Freitag eröffnet unter dem schlichten Titel „Design“ die sechste Ausstellung des Triennale Design Museums, die von Pierluigi Nicolin kuratiert und vom Studio Cerri gestaltet wurde. In zehn Installationen soll ein Dialog zwischen den alten Meistern und der Gegenwart entstehen, indem sich Martino Gamper mit Gio Ponti, Marco Ferreri mit Franco Albini oder Paolo Ulian mit Vico Magistretti auseinandersetzen. Gleich zwei große Namen, die im vergangenen Jahr verstorben sind, werden in Einzelausstellungen gewürdigt: Die Triennale widmet der Mailänder Architektin und Designerin Gae Aulenti eine Retrospektive, und die Galleria Carla Sozzani beleuchtet das Werk von Angelo Mangiarotti. Wenn schon die Temperaturen nicht mitspielen, muss eben die Vergangenheit die Seele erwärmen.
Adressen im Überblick
> Triennale / Retrospektive Gae Aulenti u.a. / Viale Emilio Alemagna, 6
> Galleria Carla Sozzani / Retrospektive Angelo Mangiarotti / Corso Como, 10
> Sawaya & Moroni / Möbel von Zaha Hadid & W. Sawaya / Via Manzoni, 11
> When Objects Work / Messer von John Pawson / Via Pontaccio, 19
> Prada / Möbel von Rem Koolhaas für Knoll International / Via Fogazzaro, 36
> Alessi / u.a. Sonnenbrillen von Frédéric Gooris / Via Manzoni, 14/16
> Tom Dixon / MOST / Museo della Scienza e della Tecnologia / Via Olona, 6b
> Cassina / Fotografien von Karl Lagerfeld / Via Durini, 16
> Zanotta + Maserati / Möbel von R. & L. Palomba u.a. / Piazza Tricolore, 2
> Flos / Leuchten-Reedition von Gino Sarfatti / Corso Monforte, 15
> Arper / Reedition von Lina Bo Bardi / Via Pantano, 30
> EDIT by Designjunction / La Pelota / Via Palermo, 10
> Meet my Project / 30 internationale Jungdesigner / Viale Crispi, 5
> Nouvelle Vague / Instituto Francese / Corso Magenta, 63
> Discipline / neue Arbeiten von 17 Designern / Via Pietro Mascagni, 4
> Moooi / Arbeiten von Marcel Wanders, Studio Job u.a. / Via Savona, 56
Weitere Neuheiten, Trends und Berichte vom Salone del Mobile 2013 lesen Sie in unserem Mailand-Special.
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